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Auf einer kleinen Farm in einem der vielen saftig grünen Täler im Land, das nun den Tuatha Dé Danann gehört, lebte einst ein Farmer namens Phadrig. Er war ein großzügiger Nachbar und eine gütige, alte Seele, ein guter Vater und Ehemann. Nun, da sich seine Tage auf dieser Erde dem Ende zuneigten, war nur er übrig, um die Farm zu bewirtschaften. Seine Kinder waren dem ländlichen Leben vor langer Zeit entflohen, um ihr Glück woanders zu suchen. Seine Frau wartete im Himmel auf ihn. In seinem Alter scherte er sich nunmehr wenig um menschliche Gesellschaft. Er war erfüllt von der Arbeit auf seiner Farm, wie bereits seit vielen Jahrzehnten.

Bei seiner Arbeit half ihm ein alter schwarzer Hengst, der ihm vor vielen Jahren in seinen Feldern zugelaufen war. Das Pferd war zu einem wichtigen Teil von Phadrigs Leben geworden, indem es beim Pflügen der Felder half oder dem einfachen Farmer Gesellschaft leistete. Das Pferd war die gesamte Familie, die ihm geblieben war. Leider ist die Arbeit zweier alter Seelen nicht der Arbeit mehrerer Jungen ebenbürtig und die Farm stand kurz vor dem Ruin. Es gab wahrhaftig wenig, was der alte Mann und das schwarze Pferd hätten tun können, um ihr gemeinsames Schicksal zu ändern.

Als das Pferd stark an den Gebrechen seines Alters litt pflegte der Farmer es. Er begann sogar mit der merkwürdigen Gewohnheit, dem Pferd vorzulesen, denn die Stimme des Farmers beruhigte das Pferd, wenn es aufgebracht war oder Schmerzen hatte. Phadrigs Lieblingsgeschichten waren die der Tuatha Dé Danann und ihren großen schwarzen Rössern. Auch das Pferd schien die Geschichten zu mögen. Es wieherte und versuchte sogar, an einigen aufregenden Passagen der Geschichte, seine unter Arthritis leidenden Beine zu heben. Der Farmer lächelte darüber und spürte, dass er ein besonderes Pferd besaß, auch wenn es sonst keinerlei Anzeichen für Intelligenz oder Talent bewies. Es schien jedoch ein höheres Maß an Eigensinnigkeit zu besitzen und mehr Unfug im Kopf zu haben, als andere Pferde. Sein liebster Streich war es, seine Decke immer wieder herunterzuwerfen, damit sich der alte Farmer bücken musste, um sie wieder und wieder aufzuheben. Fast wie es ein kleines Kind mit seinen überlasteten Eltern macht.

Phadrigs Leben war zu einer Mischung aus Ritual sowie Routine geworden und obwohl dieser Rhythmus nicht gerade aufregend war, schien ihm das in diesem Lebensabschnitt gut zu tun. Bis zum Durchstoßen des Veils, als sich alles veränderte.

Obwohl der Veilsturm seine Farm nicht direkt betraf, litten einige von Phadrigs Freunden und Nachbarn schwer. Er bot seine Hilfe an, so gut es ging, konnte aber gegen die Flut von Bedürftigkeit nur wenig ausrichten. Wenigstens versuchte er es, auch wenn das bedeutete, dass er sich etliche Nächte der Woche hungrig schlafen legen musste. So schlimm Phadrigs Situation auch war, so ging es ihm immer noch viel besser, als vielen anderen.

Eines Sommerabends hörte Phadrig seltsame Geräusche, die aus seiner Scheune zu kommen schienen. Normalerweise hätte er sie ignoriert und sie als harmlose Geräusche eines Tieres abgetan, aber die Welt war nicht mehr so, wie sie einst war. Er griff zu einer Sense als Waffe, zündete eine Fackel an und ging mit einem beklommenen Gefühl in Richtung Scheune. An der Scheune angekommen, fand er die Tür sperrangelweit offen vor. Im fahlen Mondlicht sah er eine Abscheulichkeit, die sich langsam aber sicher seinem Pferd näherte. Das Pferd starrte die Kreatur hypnotisiert an: die Abscheulichkeit hatte einen Zauber auf das Pferd gewirkt. Es war weithin bekannt, dass einige dieser Kreaturen seltsame Kräfte besaßen.

In der Hoffnung sie zu verscheuchen, schrie Phadrig die Kreatur an. Die Kreatur drehte sich und schaute ihn ohne jegliche Beunruhigung an. Dann jaulte sie auf und stürmte auf Phadrig zu. Obwohl sie nicht so stark wie andere ihrer Art war, war sie dem alten Mann, trotz seines Mutes, mehr als ebenbürtig. Phadrigs Sense traf das starke Fell der Abscheulichkeit und verursachte eine blutende Wunde.

Da die Aufmerksamkeit der Kreatur nun vollkommen auf den Farmer gerichtet war, begann das Pferd aus seiner Verzauberung zu erwachen. Das Pferd sah die Abscheulichkeit nun zum ersten Mal deutlich und riss seine Augen weit auf. Angst stieg seine Kehle hinauf und es bäumte sich schmerzhaft auf seine Hinterläufe auf, obwohl diese Anstrengung es in Bedrängnis brachte. Es versuchte auf die Abscheulichkeit zuzustürmen, doch sein Körper konnte nicht mit seinem Mut mithalten und es stolperte schnell hilflos zu Boden, während der Kampf für Phadrig eine missliche Wendung nahm. Die Abscheulichkeit spürte den Sieg und bereitete sich darauf vor, ihn zu töten.

Vielleicht war das Pferd zu lange den Veilstürmen ausgesetzt gewesen oder vielleicht war es schon immer mehr als es schien, aber etwas sehr seltsames geschah an jenem Abend. Draußen war kein Sturm, doch das Pferd begann sich zu verwandeln. Die Schmerzen, die seine Gelenke für viele Jahre geplagt hatten, verschwanden so schnell wie der Morgennebel im strahlenden Mittagslicht. Sein schwarze Fell wurde so glänzend und glatt, wie zu jener Zeit, als es ein junger Hengst war. Seine wässrigen Augen wurden klar und seine Hufe glühten, als ob sie in Flammen stehen würden. Es wurde zu dem Pferd aus den Geschichten des Farmers, ein wahres Ross der Tuatha Dé Danann. Es war außerdem überrascht, große Erkenntnis und Verstand zu verspüren. Es wusste, dass sein Farmer, sein Freund, im Sterben lag.

Es eilte an Phadrigs Seite und stellte sich zwischen die Abscheulichkeit und den Farmer, was die garstige Kreatur zum Angriff herausforderte. Was sie auch tat. Die Abscheulichkeit sprang auf das Pferd zu und hob seine Krallen, mit der Absicht, Fleisch von den Knochen zu reißen. Das Pferde überraschte sie, indem es sich flink drehte, um von der Kreatur wegzuschauen. Als sie sich näherte, nutze das Pferd seine kraftvollen Hinterläufe, um die Kreatur durch die schwache Scheunenwand zu treten.

Die Abscheulichkeit rappelte sich draußen im Mondlicht wieder auf und rief nach anderen seiner Art. Einige von ihnen zogen wie Wölfe in Rudeln umher. Zwei andere Abscheulichkeiten hörten den Ruf und stürmten aus dem nahe gelegenen Wald herbei, gierig sich der Jagd anzuschließen. Das Pferd galoppierte hinaus, um die Kreaturen herauszufordern. Es war jahrelang nicht in der Lage gewesen zu galoppieren, aber es bemerkte kaum seine Stärke, da es so verzweifelt versuchte, den Farmer zu beschützen.

Da es nun drei Feinden gegenüberstand, wusste das Pferd, dass es in Schwierigkeiten war, doch es kämpfte tapfer weiter. Seine Hufe und Läufe waren kraftvolle Waffen und es schaffte es schnell, die zwei Neuankömmlinge zu töten. Eine der Abscheulichkeiten ging in Flammen auf, als die Hufe des Pferdes während eines verheerenden Tritts hell aufloderten. Doch der Anführer war immer noch am Leben und das Pferd war durch seine Anstrengungen stark geschwächt. Seine Flanken waren blutüberströmt.

Da der Sieg endlich zum Greifen nah war, stürmte die Abscheulichkeit abermals auf das Pferd zu. Die Kreatur sprang auf den Rücken des edlen Rosses und hob seine Krallen, um die Kehle des Pferdes aufzuschlitzen. Plötzlich erstarrte die Kreatur, während seine Krallen im Begriff waren zuzuschlagen. Sie fiel tot vom Pferd.

Noch während die Kreatur fiel, sah das Pferd, dass der Farmer, der stark blutetet, herausgekrochen war, um die Heugabel der Scheune auf die Abscheulichkeit zu schleudern. Die scharfen Zinken hatten den widerlichen Brustkorb der Kreatur durchbohrt und sie augenblicklich getötet.

Das Pferd humpelte zu dem Farmer hinüber und zusammen erreichten sie die Scheune, wo der Farmer ihre Wunden mit zerrissenem Stoff versorgte. Als er fertig war, sah er das Pferd erneut an und bemerkte, dass es sich bedeutend verändert hatte. Während Phadrig es anstarrte, sah er dort die neue Intelligenz aufblitzen und sagte: „Ich weiß nicht, wie dies geschah, aber ich danke dir, dass du mein Leben gerettet hast. Es tut mir Leid, dass ich dir nie einen Namen gegeben habe. Wäre es in Ordnung für dich, wenn ich dich fortan Puck nenne?“ Das Pferd, obwohl es jetzt weiser als je zuvor war, kannte den Namen nicht, aber fand Gefallen an dessen Klang.

Phadrig und Puck arbeiteten noch mehrere Jahre zusammen auf der Farm. Puck nutzte seine neuentdeckten Kräfte und seine Intelligenz gut und die Farm florierte wie nie zuvor. Puck und Phadrig verbrachten auch viele Stunden mit Entspannung, lasen zusammen und hatten Freude an der Fülle von Erholung nach einem mühevollen Tag. Es dauerte nicht lang, bis Puck selbst lesen konnte. Phadrig und Puck begannen sogar, sich auf die eine oder andere Art zu unterhalten.

Was Phadrig betrifft, er war entzückt von der Veränderung und auch wenn Puck manchmal für mehrere Tage verschwand, so wusste Phadrig doch, dass sein Freund immer wieder zurückkehren würde. Auf die Frage von Phadrig, wo er denn gewesen sei, lächelte Puck nur mit dem breiten Grinsen eines Pferdes und wandte sich seinen Angelegenheiten zu.

Man sagt, dass als die Zeit kam, da Phadrigs Licht erlosch, sein Pferd einen fast menschlichen Schrei der Trauer ausstieß, der weit über die Felder zu hören war. Im nächsten Morgengrauen, als seine Nachbarn kamen, um das Geräusch zu untersuchen, gab es keine Spur des Pferdes. Alles was sie fanden, war ein flaches Grab, in dem Phadrig begraben lag. In Phadrigs Grabstein gemeißelt standen die Worte: „Er war ein guter Meister, aber ein noch besserer Freund – Puck.“ Die Nachbarn waren verwirrt. Doch sie hatten größere Probleme, als herauszufinden, wer dieser Puck war und so sprachen sie ein Gebet und kehrten zu ihren Leben zurück.

Was Puck angeht, seine Zeit weit weg von der Farm nutze er sinnvoll: Er und andere seiner Art wurde gesichtet, wie sie durch die Hügel rannten und wie ihre lodernden Hufe in der dunklen Nacht das grüne Gras erglühen ließen. Sie wurden ebenfalls für alle möglichen Unfug verantwortlich gemacht, aber auch für gütige Taten. Keiner von ihnen wurde jemals gefangen oder geritten, so sehr sich manche auch bemühten. Man sagt, dass sie die Ankunft eines wahren Kriegerkönigs erwarten und erst dann werden sie aus ihrem versteckten Zuhause in den Hügeln herabsteigen, um ihn bei seiner Aufgabe zu unterstützen.

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