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Er vertiefte sich behutsam in seine Gedächtniswanderung. Artus war nun ein viel jüngerer Mann. Er hatte eine knabenhafte Gestalt, als sei er von den Dekaden der schmerzlichen Erfahrungen unberührt geblieben, die sich in die Gesichter aller anderen Überlebenden des Weltenbruchs eingebrannt hatten.

Das Jahr, in dem er nun wanderte, brannte in seiner Erinnerung, wie ein Signalfeuer unter dem Nachthimmel. Denn es war damals, als er eine machtvolle Idee hatte. Ein Gedanke, der die Welt zutiefst verändern würde, tiefer als es alles andere in den Jahren seit dem Weltenbruch getan hatte.

Aus dem letzten frustrierenden Treffen mit seinen Schwertbrüdern war er herausgestürmt. Er sagte sich selbst, dass er sie innig liebte. Aber im Laufe der Zeit belasteten seine zwei Brüder seine Gedanken immer mehr, so wie Sigurd seinen Bauch immer mehr belastete. So viel Zorn wegen bedeutungslosen Beleidigungen und diese Fülle von Hochmut könnte sie alle dem Untergang weihen.

Sie teilten sich die Herrschaft über die Reiche, alle ihre Völker wechselten mit dem Verlauf der Jahreszeiten durch das bewohnbare Land. Sie hätten auf diese Art einfache halb-nomadische Leben führen können. Doch das sollte nicht sein. Sigurd weigerte sich, ihnen entgegen zu kommen. Er bestand darauf, während des tiefsten Winters zu herrschen und dass sein Hof der Winterhof für alle drei Reiche sein sollte. Midgard war zu dieser Jahreszeit jämmerlich kalt und gefährlich sturmgeplagt.

Sigurd liebte es, seine Schwertbrüder und ihre Völker, in der hohen Bergfestung, die er arroganterweise seine Hauptstadt nannte, frieren und leiden zu sehen. Die Hauptburg hatte nicht einmal Toiletten, zumindest keine, die er oder seine Gefolgschaft finden konnte. Ja, die Dampfbecken waren im Winter herrlich und ja, es gab keinen Mangel an Unterhaltung, denn die Wikinger hatten viele Spiele und Hallensportarten erfunden, um in den endlosen Nächten nicht ihren Verstand zu verlieren. Doch der Winter in Midgard war Folter für ihren anderen Bruder und seine Tuatha Dé Danann, die sich während dem Verlauf der Jahreszeiten immer stärker hängen ließen.

Winter in Midgard war sogar noch schwieriger als der Sommer in Artus’ Reich und es wäre für ihn lächerlich gewesen, wenn er darauf bestanden hätte, während dieser Zeit dort Hof zu halten. Nein, er war weise genug – oder zumindest vernünftig genug – um auf den Rat einzugehen, dass es eine viel angenehmere Erfahrung wäre, den Sommer in der von Bäumen umsäumten und geschützten Stadt der Tuatha Dé Danann zu verbringen, anstatt während einer so drückenden Jahreszeit in Camlann zu schwitzen.

Die machtvolle Idee kam an einem dieser Tage, an dem Artus gerne überall außer in Midgard gewesen wäre, umgeben von jedem außer von Wikingern. Um ehrlich zu sein, war er nicht der erste, der eine Idee hatte, die die Welt ändern könnte; doch er war einer der wenigen, die sich in der Position befanden, die Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Es war so offensichtlich, so einfach. Und ein bisschen verrückt.

Er war beschwingt. Er fühlte sich wie ein Kind, das ein wunderbares Geschenk erhalten hatte. Er durchsuchte seine Ecke der gefrorenen Festung nach Gwen, aber er konnte sie nirgends finden. Er rannte von Raum zu Raum und suchte überall nach jemandem, mit dem er hätte reden können, da er diesen Moment teilen wollte.

Die Festung schien verlassener als gewöhnlich. Doch das hielt ihn nicht auf, durch mehrere Gruppen von Bittstellern, Wachen und Platten mit allerlei Fleisch sowie verschiedenen Fässchen voll unbekannter Flüssigkeiten, die zum Speisesaal gebracht wurden, zu rennen. Sie alle schienen ziemlich verärgert, als er sie anrempelte, schubste und störte. Artus hörte seinen Namen öfter verflucht, als ein respektabler König es jemals vernehmen sollte, vor allem in seiner Anwesenheit. Erschöpft stand er am Ende vor den Türen der großen Halle, von der er wusste, dass Sigurd hier gerade Hof hielt.

Er ignorierte den Anstand, stürzte durch die schweren Holztüren und rannte in den überfüllten Thronsaal. Sie starrten ihn an, den König aller Briten, der mit einem halben Lächeln an ihnen vorbei zum Thron rannte. Dort, in einem enormen Holzstuhl (dem es in jener Zeit noch an dem an der Spitze befestigten Drachenkopf mangelte) am Kopfende des großen Steinraumes, saß Sigurd. Er überragte sie alle, mit seinem hellroten Haarschopf. Seine gewaltige Masse ächzte auf dem Stuhl nach vorne. Er räusperte sich und wollte gerade anfangen zu sprechen, als Artus den Fuß seines Throns erreichte.

Genau dort war eine Falte im Teppich, die Artus übersehen hatte, während er die Stufen zum Podest hinaufkam. Er stolperte mit einem laufen Krachen, seine gesicherte, goldgeprägte Schwertscheide klapperte über den Stein.

Sigurd lachte, ein donnerndes Brüllen, das in Wellen über Artus hereinbrach, während er versuchte sich zu entwirren. Der König der Wikinger warf sich selbst nach vorn, griff Artus an den Schultern, drehte ihn in der Luft aufrecht und setze ihn auf seinen Füßen ab. Es war wie im Griff eines Wirbelsturms gefangen zu sein.

„Bruder! Es ist so schön zu sehen, dass du dich wie ein Mann erhebst“, sagte Sigurd mit einem rauen Lächeln. „Du weißt, es gibt keinen Grund, dich vor mir auf die Füße zu werfen! Du hast deine großen Brüder verehrt als wir jünger waren, aber…“

Kurz davor seine Idee zu verkünden, zuckte Artus’ Kiefer vor Verärgerung. Sein Gesicht war bereits rot und jetzt lenkte ihn Sigurd mit Unsinn ab.

„Doch jetzt sind wir viel älter und weise“, fügte Sigurd beschwichtigend hinzu. „Und du bist Artus, König aller Briten, der weiseste unter uns.“

„Ich weiß nicht, ob ich der weiseste bin, mein Bruder“, sagte Artus. „Aber ich bin der ungeschickteste.“

Der Hof kicherte. Sigurd ergriff ihn erneut und umschloss ihn mit einer ungestümen Umarmung, Speckrollen und Muskeln kräuselten sich, während er lauf lachte. Ein paar von Artus’ Gefolgschaft in der Menge konnten nicht anders, als ihren König anzugrinsen. Die Kinder der Danu am Hof waren zurückhaltender und nickten lediglich. Im Gegensatz dazu brüllten die Wikinger beifällig über den Scherz ihres Königs und Artus’ bereitwilligen Humor. Sogar ein paar Walküren in der Menge kicherten leise.

In der Gruppe seiner Freunde gab es eine, die Artus nicht angrinste. Sie schaute ihn einfach nur an und schüttelte missbilligend ihren Kopf. Die elegante Frau trug ein langes Tuch um ihren Kopf und war in Seide und Quasten gehüllt, doch sie konnte weder ihre unverwechselbar ranke Figur noch ihre majestätische Körperhaltung verbergen. Sie war Gwenhwyfar, Königin der Briten, Artus’ ihn über alles liebende Ehefrau und sein leidenschaftlichster Beschützer. Niemand sonst, nicht einmal Artus’ Sturmreiter waren ihm so treu ergeben wie Gwen.

Sigurd räusperte sich und hielt dabei eine Faust in der Größe einer Grapefruit vor seinen Mund. „Was auch immer du so dringend brauchst, mein weiser und ungeschickter Bruder, es wird warten müssen. Ich halte heute Hof und es sind viele Leute vor dir, die mich benötigen.“

Er seufzte und konnte nichts anders, als ihm zuzustimmen. Wenn Sigurd etwas weniger Zeit in der Festhalle und mehr in seinem Thronsaal verbrächte, dann würde sein Reich viel reibungsloser funktionieren. Artus entschuldigte sich beim Hof für sein unhöfliches Auftreten und stellte sich an Gwens Seite. Sie hielt sich wie immer distanziert, stolz abgesondert von den Felllosen, die in der Nähe standen. Alle Cait Sith waren stolz, doch sie zeichnete sich selbst unter ihrer eigenen Art aus, eine jenseitige Schönheit, die sich mit gefährlicher Anmut bewegte. Ihre strahlender Blick trafen seine braunen Augen mit einem mysteriösen Ausdruck.

„Du solltest sie dich niemals so sehen lassen, mein Geliebter“, sagte Gwen sanft und zuckte mit ihren Schnurrhaaren. „Es erniedrigt dich und es erniedrigt ebenfalls uns. Dies ist der Hof. Sie werden glauben, dass wir schwach und verwundbar sind.“

„Niemand, der je gegen unser Reich gekämpft hat, hat lange genug gelebt, um das zu glauben, meine Dame“, antwortete Artus mit einem schiefen lächeln. „Das solltest du wissen, so viele Jahre, wie du schon an meiner Seite kämpfst.“

„Zeiten ändern sich, Artus und du das solltest du wissen!“, sagte Gwen barsch. Dann seufzte sie. „Ich werde stets an deiner Seite kämpfen, jetzt und für immer, aber du könntest es uns leichter machen.“

„Ich weiß Gwen, aber nicht jeder ist wie die Cait Sith“, sagte Artus. „Für einige von uns ist es wichtig, über uns selbst zu lachen.“

„Ich ziehe es vor, über andere zu lachen, Artus“, antwortete Gwen eisig. „Ich ziehe es ebenfalls vor, jene, die in mein Gesicht lachen, zu töten. Auch wenn du versucht hast, mich davon abzubringen.“

„Versucht?“, sagte Artus scherzend, da er die Wahrheit hinter den Worten kannte.

„Ja, du hast es versucht und du warst erfolgreich“, sagte Gwen. Als er so sehr über ihr Eingeständnis lächelte, fügte sie hinzu: „Aber ich könnte jederzeit einen Rü… Rü… Wie lautet das Menschenwort dafür?“

„Einen Rückfall?“, fragte Artus.

„Ja, das ist es, einen Rückfall“, sagte Gwen.

„Ich werde mein Bestes versuchen, um deine Ehre zu bewahren, meine Geliebte“, sagte Artus.

„Sorge dafür, dass du das tust“, sagte Gwen. Die Spitze ihres Schwanzes schnallzte von ihm weg. „Ich werde gehen und meine Waffen schärfen. Sag Sigurd von mir Hallo.“

„Jetzt? Der Winterhof ist voll von Bittstellern. Es gibt viele Leute, die Sigurd anhören muss, bevor er mich anhört. Vielleicht wird es ohnehin das Beste sein, wenn ich ein wenig Zeit zum nachdenken habe, um einen Weg zu finden, wie ich ihn zum Zuhören bewegen kann…“ Artus kaute nachdenklich auf seiner Lippe, betrachtete den glanzvollen Hof, der zu Sigurds Füßen kam und ging. Der große Mann schaute gelangweilt und sprach mit einer tiefen, bestimmten Stimme, bevor er ungeduldig einen weiteren Krieger in Kettenrüstung davonwinkte.

„Aber wir sind Majestäten!“, fauchte Gwen frustriert und zuckte verärgert mit ihren Schnurrhaaren. „Artus, muss ich alles erledigen?“

Artus schaute finster. „Na gut, Gwen. Du glaubst also, dass ich schwach bin, weil ich abwarte, bis ich an der Reihe bin? Sei nicht albern.“

Gwen straffte ihre Schultern und drehte sich mit Wut in ihren meergrünen Augen auf ihn zu. Sie lehnte sich vor, um in sein Gesicht zu flüstern und ignorierte die Blicke der Höflinge um sie herum. „Muss ich mich wiederholen? Dies ist der Hof. Ich verstehe besser wie er funktioniert als du. Darüber hinaus kenne ich dich, Artus. Ich kenne deine Launen und deine Fehler. Ich kann in diesem Moment den Dämon in deinem Blut riechen; ich weiß, dass uns das alle retten kann, doch ich kenne nicht die Gefahren.“

Artus knirschte mit den Zähnen. „Nun gut… ich nehme an du hast Recht. Ich muss mit meinem Bruder sprechen, aber ich kann nicht einfach hinaufgehen und verlangen, dass er mich vor all diesen Leuten empfängt…“

Obwohl sie sich nicht entspannte, lächelte Gwen und zeigte ein paar nadelspitze Zähne. „Ich kann es einfacher machen. Aber du wirst mir etwas schulden.“

„Dir was schulden?“, fragte Artus abgelenkt, während er Sigurd betrachtete, der mit seinen kräftigen Händen winkte, als er ein weiteres Urteil fällte.

„Es ist eine kleine Wette“, flüsterte Gwen und zog damit wieder seine Augen auf sich. „Aber wenn ich den Hof räumen kann und du offen mit Sigurd sprechen kannst, dann wirst du heute Nacht mein Fell bürsten und mir die Edikte vorlesen.“

Artus’ Augen wurden groß und er schaute sich um, um sicherzustellen, dass niemand die sanfte Bitte der Katze gehört hatte, während er sie im Arm hielt. „Bist du dir sicher, dass du das willst? Du musst sie inzwischen dutzende Male gehört haben.“

„Und jedes Mal wenn ich sie höre, sehe ich die tiefe Weisheit in ihnen. Sie helfen mir, an diesem seltsamen, kalten Ort Zufriedenheit zu finden. Außerdem ist es angenehmer als diese kochend heißen Wasserbecken, für die dein Bruder und sein Volk so schwärmen. Ein angemessenes Bad sollte nur so lange dauern, wie nötig ist, um den Körper zu reinigen. Nicht als Entschuldigung, um sich zu betrinken und die Kontrolle zu verlieren.“

„Damit bin ich einverstanden“, sagte Artus. „Und was ist dein Wetteinsatz?“

„Ich werde dich mich von Hand füttern lassen“, sagte Gwen.

In den Dekaden, in denen sie zusammen waren, gab es nur wenige Gelegenheiten, zu denen Gwen eine Wette mit einem so hohen Einsatz eingegangen war. Für einen Cait Sith war es die äußerste Unterwerfung, von Hand gefüttert zu werden. Artus konnte sich nur an drei andere Male erinnern, bei denen Gwen bereit war, eine Wette mit solch einem Einsatz einzugehen.

Er wusste, dass das bedeutetet, dass sie ziemlich sicher über den Ausgang der Wette sein musste, genau wie sie es die anderen drei Male gewesen war. Wissend, dass dies bedeutete, dass er wieder verlieren würde, dachte er ein oder zwei Sekunden darüber nach. Er schaute tief in ihre meergrünen Augen und suchte jeden Winkel ihres Gesichtes nach einem Hinweis ab, doch er wusste, dass er keinen finden würde. Man sagte, dass von all den Rassen in ihrem Reich, nur ein Cait Sith jemals lernen könnte, einen Cait Sith wahrhaft zu verstehen. Er überlegte sich, eine Macht zur Hilfe zu rufen, um dabei behilflich zu sein, ihre Gedanken zu lesen, aber er wusste, dass er ihr das nie antun würde. Das wäre ein persönlicher Verrat, den selbst sie ihm möglicherweise nicht vergeben würde und er würde lieber sein eigenes Leben opfern, als ihre Liebe und ihr Vertrauen zu verlieren. Er hatte die Entscheidung getroffen. Er lächelte sie einfach an und nickte. ‚Egal wie es ausgeht‘, dachte er. Er wusste, dass es ein interessanter Nachmittag am Hof werden würde.

„Nun schau zu, während ich mache, was du nicht kannst“, sagte Gwen, während sie ihn wissend anlächelte und mit ihrem perfekten Erinnerungsvermögen zurückblickte. Er hatte oft Recht, in gewisser Weise; aber er war so langsam und er war sich nicht bewusst, wie wichtig Blendwerk, Herumstolzieren und Ausschmückungen für den Erfolg am Hof sind.

Gwen ließ ihre Augen durch den Raum wandern und suchte nach Gesichtern, die sie kannte. Sie sah Midir, Lancelot, Andvari… und dann hielt sie plötzlich inne. Als ob es das Schicksal so wollte, war er hier… der, der sie hasste. Der reiche, zarthäutige Händler von Artus’ Hof, der sich weigerte zu glauben, dass sie und ihre Art es verdient hätten, Artus’ wahre Freunde und Beschützer zu sein. Von dem Tag an, an dem sie gekommen war, um mit Artus zu leben, hatte sie dieser Mann geplagt. Er ging nie weit genug, um Artus’ Zorn zu erregen, bisher war er sehr schlau vorgegangen. Sein Widerstand gegen die Aufnahme der Cait Sith war immer hinter einer Fassade von Objektivität verborgen, zumindest in der Öffentlichkeit. Der einzige Grund, weshalb der Mann noch atmete, war, dass er lebendig wertvoller war… außerdem war er mit seinen Einwänden bisher noch nicht zu weit gegangen. Es war unerfreulich, aber eine nötige Facette des Lebens am Hof, denn manchmal mussten die größeren Ratten am Leben gelassen werden, damit ein Herrscher stets wusste, wo sie sich befanden.

Gwen begutachtete ihre Umgebung mit den scharfen Sinnen eines wahren Raubtieres. Die Zeit verlangsamte sich für sie. Sie konnte die Bewegungen der Leute als einen langsamen Tanz wahrnehmen. Stück für Stück erzeugte ihr Verstand ihre eigenen Bewegungen, die sich zusammenfügten, wie die Zahnräder einer gut geölten Maschine. Nach ein paar Sekunden hatte sie ihren eigenen Tanz begonnen.

Der erste Schritt ihres Tanzes beinhaltete ein junges, weibliches Hamadryaden-Kind, das sich hier am Hof offensichtlich unwohl fühlte. Gwen konnte ihr Alter sowohl anhand ihres Mangels an Kontrolle über ihren Schwanz erkennen als auch am fehlenden starken Moschusgeruch (Artus’ Weisheiten haben ein Wort dafür, Ferromon oder so ähnlich), mit dem die Älteren dieser Rasse ausgestattet waren. Sie konnte erkennen, dass die Kleine sich gerade so kontrollieren konnte und sie wahrscheinlich nervös war, von so vielen mächtigen Erwachsenen umgeben zu sein. Man kann über den Winterhof sagen was man will, aber er zieht viel mehr Krieger als Händler an.

So sehr Gwen es hasste das zuzugeben, aber Sigurd wusste manchmal besser, wie sich ein König zu verhalten hatte, als ihr Artus. Ihre Liebe für Artus war so tief wie The Depths, aber manchmal, nur manchmal, warnten ihre Katzeninstinkte sie, dass er zu viel Schwäche zeigte. Vor jemandem wie Sigurd war das töricht.

Sie fokussierte sich schnell wieder auf ihr Hauptziel und richtete ihre Augen wieder auf ihre Beute. Sie bewegte sich durch die Menge auf die junge Hamadryade zu, genauso gewandt, als würde sie eine Abscheulichkeit jagen, leise und selbstsicher. Als sie das Kind erreichte, flüsterte sie etwas in das Ohr der Kleinen. Das Gesicht der Hamadryade wurde rot und ihr Schwanz peitschte herum, um Gwen zu treffen. Der Mund des Schwanzes öffnete sich, um sie zu beißen, aber Gwen erwartete den Angriff und drehte sich elegant zur Seite. Der schnappende Kiefer des Schwanzes verfehlte sie vollständig.

Was er nicht verfehlte, war eine Wikingerwache, die mit dem Rücken zu ihnen stand. Der Schwanz traf sie kräftig auf den Hintern und die Wache schrie so laut, dass ein wütender Troll stolz darauf gewesen wäre. Von dem Angriff verwirrt und wütend, drehte sich die Wache. In Wahrheit hatte die junge Hamadryade nicht einmal seine Rüstung durchbrochen, aber das hinderte ihn nicht daran, die anderen Wachen zu rufen.

Gwen, die nicht wollte, dass die junge Hamadryade dafür bestraft wird, was sie begonnen hatte, klopfte der Wache mit ihrem eigenen Schwanz auf die Schulter, gerade als ihm die anderen Wachen zur Hilfe eilten. Die Wache drehte sich auf Gwen zu, die sich verbeugte und in Artus’ Richtung rannte, bevor sich Reihen von Tuatha um die Hamadryade schlossen.

Während Gwen rannte, schrie sie: „Beschützt die Brüder! Es gibt einen Attentäter in unserer Mitte!“

Dann fing das Chaos richtig an. Die Wikingerwachen um den Thron umgaben Sigurd, während Artus’ Leute ihn umgaben. Drei Sturmreiter zogen ihre Waffen und begannen Magie zu beschwören, die Juwelen auf ihrer Stirn funkelten hell. Die Wachen, die ihrem Kameraden zur Hilfe eilten, hielten beunruhigt an.

Gwen beendete ihren Tanz; ihr Schwanz peitschte um den Mann, der ihr am nächsten stand, der verhasste Händler, dessen Aufmerksamkeit ganz auf eine der Wikingerwachen gerichtet war. Der Händler verlor sein Gleichgewicht und fiel vorwärts, direkt in die vorderste Woche, die gerade angehalten hatten. Daraufhin fielen sie alle wie eine Reihe von Flaschen auf einem Übungsstand für Bogenschützen um. Während er fiel, schrie Gwen noch einmal, diesmal mit tieferer Stimme, um männlicher zu klingen: „Er versucht zu entkommen. Fasst ihn!“

Was die Wachen auch taten, nachdem sie sich entwirrt hatten. ‚Das geschieht dem Händler Recht‘, dachte Gwen.

Die ganze Versammlung hatte sich zu einem Tumult entwickelt, wie es am Winterhof oft geschah. Sigurd richtete sich nun zu seiner vollen Größe, über zwei Meter, auf und brüllte wütend: „Wer wagt es, so meinen Hof zu stören?“ Seine heftige Bewegung stieß den enormen Holzstuhl mit einem Krachen davon. Mit einer Geste der Frustration stürmte Sigurd davon und ließ seine gerüsteten Wachen verwirrt hinter sich, die versuchten, alle zu beruhigen. Sie bildeten einen Schildwall und sicherten seinen Weg nach draußen, während sie aufmerksam nach Attentätern Ausschau hielten. Gwen lächelte erfreut; sie dachte, dass er ziemlich plötzliche gegangen war.

Artus hielt sich aus dem Gewühl zurück, versuchte Gwen zu beobachten, die in die Menge hinein- und hinaustanzte, und kicherte leise. Seine Sturmreiter waren an seiner Seite und verteilten ernste Blicke an alle Streithähne, die zu nah kamen. Gwen hatte offensichtlich einen Teil ihrer Absicht erreicht; keine offiziellen Angelegenheiten würde heute noch im Thronsaal vollendet werden. Sigurd würde vermutlich den Weg in seine privaten Gemächer finden und sich dort mit warmen Getränken entspannen. Er würde vermutlich seine Türen verschließen und es ablehnen, irgendjemanden zu sehen.

Artus verließ den Saal und grübelte darüber nach, was er Sigurd sagen würde, während sich ihm die Sturmreiter anschlossen. Mit kaum einem Rascheln ihrer Tücher erschien Gwen mit einem zufriedenen Lächeln an seiner Seite. „So handhabt man den Hof, mein Lieber.“

Artus räusperte sich und lächelte schief zurück. „Die Höflinge vielleicht. Sigurd dagegen, wird nun sehr schwer zu erreichen sein.“

Gwens Ohren zuckten, während sie hinauf in seine Augen blickte. Ihre Stimme war ein kitzelndes Flüstern in seinen Ohren. „Hältst du wirklich so wenig von mir? Das ich nicht so weit vorausplane, dass der Dämon in deinem Blut brennen würde, wenn du es nicht mit deinem Bruder teilen könntest? Ich bin nicht solch ein Narr. Vor zwei Nächten fand ich eine Passage durch die Burgmauern. Sie führt hinauf zu Sigurds Kammern.“

Artus’ Augen wurden groß. „Das ist beeindruckend. Die Dvergar bauten diese Burg mit großer Meisterhaftigkeit und niemand sonst hat Sigurds Geheimgang entdeckt. Oder auch Innentoiletten. Gut gemacht! Ich werde gehen und sofort mit ihm sprechen.“

Als die Sturmreiter sich still verbeugten und gingen, ergriff Gwen seinen Arm. „Hier entlang. Und zu deiner Information, ich werde mit dir kommen.“

„Was? Das ist eine Angelegenheit für…“

„Für alle von uns“, sagte Gwen entschieden. „Sowohl für Könige als auch Königinnen.“

Artus seufzte. Er könnte ihre Hilfe ohnehin gebrauchen. „Na gut.“

 

Weiter geht es im dritten Teil.

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