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Der Durchgang lag gut versteckt in einer Nische hinter einer enormen Säule im Flur vor Artus’ Schlafquartier. Er war so schmal, dass er fast nicht zu sehen war, es sei denn man wusste, dass er sich dort befand. Oder es kam zufällig jemand mit der Neugierde und den rasiermesserscharfen Sinnen eines Cait Sith vorbei.

Das Paar betrat die dunklen und verschlungenen Tunnel, die sich ihren Weg durch das staubige Gemäuer bahnten und durch winzige, versteckte Spalten zwischen den Steinen schwach beleuchtet wurden. Sie passierten den äußeren Ring der Burg, um einen der Burghöfe herum, über die Küchen hinweg, weiter durch die Wachtürme und über den Wehrgang ins Innere des Bergfrieds. Der Korridor war bitterkalt und Schneeflocken fielen durch die Lichtschlitze hier und dort sanft auf dem Steinboden.

Sigurds Gemächer waren nur geringfügig wärmer. Der Haufen brennender Holzscheite im gewaltigen Kamin wurde durch das große Fenster ausgeglichen, das dem frostigen Wetter geöffnet war. Graue und orangene Lichter flackerten auf den mit Goldquasten geschmückten Kissen, die auf dem Bett lagen, und auf der Messerkollektion mit Silbergriffen, die ausgebreitet auf einem reich verzierten Elfenbeintisch lag.

Sigurd sprang von einem Ledersessel am Kamin auf, in seiner Hand eine riesige Axt. Seine Augen waren wild und er stieß einen undeutlichen Laut der Verwunderung aus. Als er jedoch sah, wer es war, lachte er nur: „Meine Dvergar-Architekten werden nicht erfreut darüber sein, dass du das gefunden hast. Du hast eine interessante Auffassung von den Regeln der Gastfreundschaft, mein Bruder“, und hielt die Axt weiter erhoben.

Gwen grinste und ließ ihre Reißzähne durchblitzen. In einer anmutigen Geste bot sie ihm ihre pelzige Hand an. „Es tut mir leid Sigurd. Wir brauchten deine volle Aufmerksamkeit – unter sechs Augen.“

Sigurd blickte zum Kamin und sank mit einem schweren Seufzer zurück in seinen durchhängenden Ledersessel. „Also gut, wenn es denn sein muss. Nehmt euch was zu trinken. Das da ist alles, was von meinem frisch Gebrauten noch übrig geblieben ist.“ Er winkte die beiden zu den nahen Stühlen.

Sigurd musterte Artus aufmerksam, während er der Cait Sith einen Krug mit kochend heißem Bier reichte. Seine Stimme hatte nun einen Unterton, der nichts mit der rauen Menge Alkohol zu tun hatte, die er bereits irgendwie in sich hineingeschüttet hatte. „Also sprich Bruder, was ist so wichtig, dass Gwen mich heute beim Hof halten stören musste?“

„Komm schon Sigi, du weißt verdammt genau, dass du heute ebenso wenig Interesse daran hattest Hof zu halten, wie sonst auch. Gwen hat dir einen Gefallen getan. Du hattest etwas Aufregung, hast absichtlich deinen Stuhl umgestoßen und willst dich nun den restlichen Abend besinnungslos trinken“, erwiderte Artus, während er einen Schluck von dem heißen Getränk aus seinem Silberkelch nahm. Das Glühbier war gar nicht so schlecht, ein Mix von Zimt und Nelke auf weiteren Gewürzen, machte es stark und bittersüß. Es war eine willkommene Abwechslung von Sigurds üblichen Versuchen, sich neue Kombinationen von Zutaten auszudenken, um seinen Brüdern heftige Übelkeit zu bescheren.

Der König der Wikinger zog seine dichten roten Augenbrauen zusammen. Sein Mund wurde sehr schmal. „Nenn mich nicht so, kleiner Bruder. Das klingt wie einer deiner Hunde aus dem Zwinger.“

„Klein?“, fragte Gwen und nahm einen ordentlichen Schluck des Glühbiers. „Wir mögen vielleicht in deinem gefrorenen Ödland sein, aber so spricht man nicht von diesem König.“

Sigurds Augenbrauen rückten enger zusammen. Nun knurrte er selbst wie eine Raubkatze: „Das ist eine Koseform. Abgesehen davon ist er – im Vergleich zu mir – durchaus klein.“

„Wenn du dich weiterhin so gehen lässt, mein Bruder, dann trifft das auch bald auf einen Zweistufer zu“, sagte Artus und meinte damit einen ausgewachsenen Golem seines Reiches. „Du solltest deine Schwelgerei wirklich etwas zügeln.“

„Schwelgerei“, brüllte Sigurd, „bemutterst du mich etwa? Brauchst du diesen Titel auch noch, neben König, der Weise und Schöpfer der Edikte? Was kommt wohl als Nächstes? Der einstige und zukünftige König der Welt?“

„Hör schon auf Sigurd“, sagte Artus, „du weißt verdammt gut, dass ich mit diesem törichten Mythos nichts zu tun hatte. Ich habe kein Interesse daran, die Große Übereinkunft zu beenden. Im Übrigen ist sie genau das, weswegen ich hier bin.“

Sigurd nickte anerkennend über Artus’ Achtung der königlichen Herrschaft über das Land, die sich die drei Bruderkönige teilten, und entspannte sich in seinem Lieblingsstuhl mit einem donnernden „Harrumpf“. Artus lächelte innerlich über dieses Geräusch, denn trotz Sigurds ganzem Getöse erinnerte es, und die Art wie sein Bruder sich in den Stuhl setzte, an nichts stärker als an einen seiner großen Jagdhunde nach einem langen Tag. Sigurd fuhr fort: „Ja, Bruder, ich bin über die letzten Jahrzehnte schwerer geworden… aber nur weil ich so viel meiner Zeit am verdammten Hof verbringen muss, anstatt in den Sturmlanden das zu tun, was ich am besten kann: Abscheulichkeiten töten. Also sag mir, Bruder, was ist deine neueste Intrige?“

Artus stellte seinen geleerten Kelch auf den Tisch neben sich und stärkte sich an einem Blick zu Gwen. Er nahm tief Luft: „Uns geht das Ackerland schneller aus, als wir erwartet haben, und da das Volk nicht mehr durch Alter oder Krankheiten stirbt, wachsen unsere Reiche rapide an. Die Leute brauchen einen Ort, um sich niederzulassen. Und sie brauchen ihn morgen, nicht erst nächstes Jahr und ganz bestimmt nicht in Jahrzehnten. Du kannst dich dieser Wahrheit nicht verschließen.“

„Pah! Ihr seid es, du und unser anderer Bruder, die Ackerland brauchen. Die Bevölkerung meines Reiches ist nahezu stabil und das Land, das wir zum wachsen brauchen – das machen wir urbar“, sagte Sigurd.

„Das liegt daran, dass viele deines Volkes unterirdisch oder im Hochgebirge leben und sich ständig allen möglichen tödlichen Gefahren aussetzen, nur um ihren Mut zu beweisen“, erwiderte Artus. „Du weißt ganz genau, dass die Kinder der Danu dort nicht leben können und selbiges gilt auch für viele meines Reiches. Hör auf so zu tun, als würdest du es nicht verstehen Bruder. Ich weiß, dass du es verstehst.“

„Na und? Ja, ich weiß, dass mein Volk stärker ist. Ich schmiedete dieses Land und seine Bewohner, genauso wie du das deine“, antwortete Sigurd. „Ist es meine Schuld, dass dein Volk schwächer ist als meines? Wieso sollten sie für deine Fehler büßen?“

Gwen stellte ihren Kelch mit einem scharfen Klirren ab. Als sie ihren Blick hob und auf Sigurd richtete, hatten sich ihre nussbraunen Augen zu einem stechenden Gelb gewandelt. „Artus’ Fehler? Du aufgeblähte, bärtige, Kugel von einem Mann! Unser Volk ist alles andere als schwach und das weißt du. Wie oft sind wir euch zu Hilfe gekommen? In wie vielen Schlachten haben wir gekämpft, in denen du und deine verdammte Horde sich in den Kampf gestürzt haben wie eine Maus auf den Käse? Hör dir einfach an, was er zu sagen hat!“

„Aufgebläht?“, brüllte Sigurd. „Aufgebläht? Ich umkreise dich spielend, bevor ich dich in zwei Teile haue!“

„So wie du aussiehst, Bruder, führten dich die einzigen Kreise, die du in letzter Zeit gedreht hast, zum Brauer und zum Metzger!“, sagte Artus als er sich erhob. Er ließ seine Hand sinken, die nun gefährlich kurz davor war, sein Schwert Excalibur aus der Scheide zu ziehen. Gwens Körper war bereits angespannt. Ihre Klauen sanken in die Lehnen ihres Stuhls.

„Jetzt geht es dir an den Kragen, kleiner Bruder“, sagte Sigurd mit eiskalter Stimme während er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Er ragte über ihnen wie ein rothaariger Berg.

„Jungs! Hört sofort auf mit dem Blödsinn“, sagte eine vertraute Stimme. Es war Brynhildr, Walküre und Frau von Sigurd. Die zwei Brüder erstarrten und Gwens abstehende Nackenhaare legten sich wieder etwas. Da war irgendwas in Brynhildrs Tonfall, das die Sturmbrüder wie zwei kleine Jungs erscheinen ließ, die mit ihren Händen in der sprichwörtlichen Keksdose erwischt wurden.

Sie war beinahe so groß wie Sigurd, als sie den Raum langsamen, majestätischen Schrittes betrat. Ihre zur vollen Pracht erhobenen Flügel schimmerten und sie sah alles andere als erfreut aus. Sie nickte Gwen zu und richtete ihre dunklen Augen dann auf Artus: „Erzähle auch mir von deinem großen Plan.“

Artus nahm tief Luft und zwang sich nicht zu Gwen zu blicken. Dennoch konnte er spüren, dass ihre Augen auf ihn gerichtet waren und ihn aufforderten zu sprechen. „Erinnere dich, Bruder. Das Land, das unter die Meere sank. Es war gutes Land. Fruchtbar und nicht verdorben durch die Veilstürme. Ich kann ein Drittel meiner funktionstüchtigen Stabilisatoren heranschaffen und unverzüglich einsetzen.“

Es folgte ein langer Moment der Stille.

„Zu welchem Zweck?“, brüllte Sigurd. „Mehr Ackerland auf dem Boden des Ozeans zu erschaffen?“

„Nein. Ich muss noch mit meinem Rat der Weisen sprechen, doch ich glaube, dass wenn wir bestimmte Stabilisatoren unter Wasser setzen, sie von anderen Stabilisatoren an der Oberfläche angezogen werden. Es kommt nur darauf an, sie richtig auszurichten und mit Macht zu erfüllen. Es würde allerdings gewisse Opfer erfordern.“

„Jetzt wird es interessant! Wen gilt es zu töten?“, sagte Sigurd.

„Ja Artus, erzähl es uns. Wer wird den Preis für dieses neue Abenteuer zahlen?“, sagte Brynhildr misstrauisch.

„Ich werden den Preis dafür zahlen“, sagte Artus.

Gwen setzte sich versteift. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen. „Nein, wirst du nicht“, sagte Gwen bestimmt. „Unser Volk wird dafür einstehen. Sie werden gerne ihr Leben lassen, um deines zu retten. Außerdem werde ich das nicht erlauben.“

„Kein Grund zur Sorge, meine Liebste“, sagte Artus lächelnd. „Es ist ein kleines Opfer, das ich einfach erbringen kann. Ich bin der jüngste meiner Brüder und es ist meine Pflicht.“

„Das ist gewagt Artus“, erwiderte Brynhildr schließlich.

Gwen widersprach lautstark: „Wagemutig, wie es sich für einen Sturmbruder und König gehört.“

„Artus“, sprach Brynhildr, „woher weißt du, dass es funktionieren wird? Und sollte es das, was kommt danach? Ich kenne dich, König der Briten und Bruder des besten Mannes der Welt. Du spielst ein größeres Spiel, als du vorgibst.“

„Falls sich meine Brüder dazu entscheiden, sich mir anzuschließen, dann werden wir neues Land aus dem Meer erheben und unter uns aufteilen. Und – in der Mitte dieses erhobenen Landes werden wir die großartigste Stadt der Welt errichten“, sagte Artus mit Worten voller Überzeugung und leuchtenden Augen, die erfüllt waren von Wahnsinn oder Glaube… oder möglicherweise beidem.

Sigurd grunzte und sackte zurück in seinen Stuhl, der daraufhin erbebte und beinahe zerbrach. „Du bittest mich, meine Stabilisatoren aufzugeben, um neues Land zu heben, das mein Volk nicht braucht? Um eine Stadt zu bauen, die ich nicht will? Wozu? Das ist nicht gewagt, das ist Irrsinn!“

Brynhildr erhob eine Flügelspitze in Richtung ihres Mannes, der sich nach hinten lehnte, als fürchtete er, sie würde ihn schlagen. „Diese Welt hat ihren Verstand schon vor langer Zeit verloren. Doch sagt mir“, fügte sie hinzu und zeigte dieses Mal mit einer Flügelspitze auf Artus, „würde man von Sigurd ebenfalls erwarten, dass er einen Teil von sich opfert?“

„Man kann nicht abstreiten, dass Opfer notwendig sind“, sagte Artus. „Wie ich bereits sagte, werde ich meinen Rat konsultieren, doch sobald wir ein Drittel des Landes gehoben haben, wird das benötigte Opfer wesentlich geringer sein. Und für das letzte Drittel wird fast gar keines mehr nötig sein.“

„Ha! Du hältst dich wohl für etwas Besseres und willst die Rolle des noblen König Artus, der uns alle rettet, spielen“, sagte Sigurd. „Mehr von dir zu opfern, um das Land zu heben, damit du deinem Volk von deiner großen Tat berichten kannst.“

„Nein, nicht im Geringsten!“, sagte Artus.

„Den einstigen und zukünftigen König mimen, was? Ich dachte du hast genug davon!“

„Sigurd, alles was ich…“

„Du hältst mich für dumm, weil ich stark bin? Du denkst du kannst mich reinlegen?“

„…versuchte zu tun, war …“

„Das ich irgend so ein Narr wäre.“

„…dir ein paar Jahre zu sparen, da ich der Jüngste bin und…“

„Eine Marionette, ein Katzenspielzeug für deine Gwen vielleicht!“

„Ich liebe dich und meinen anderen Bruder innig!“

Während sich die Gemüter und die Temperatur im Raum weiter aufheizten, bewegte sich Brynhildr auf Abstand und winkte Gwen zur Seite, die dem nur ungern nachkam. Während die Sturmbrüder weiterschrien, breitete Brynhildr, Frau von Sigurd, Mutter der Walküren, Königin der Wikinger, ihre Flügel zu voller Spannweite aus. Sie begann einen Sprechgesang und ihre Schwingen glühten weiß. Große Macht strömte durch sie hindurch und die Raumtemperatur sank. Zwei weiße Sphären erschienen an ihren Händen. Sie feuerte die Kugeln auf die zwei Könige…

Und die wurden von zwei herkömmlichen Schneebällen genau in ihre rot glühenden Gesichter getroffen. Erschrocken, wütend und mit gefährlich leuchtenden Augen drehten sie sich zu Brynhildr. Diese feuerte unbeeindruckt eine weitere Ladung auf sie ab. Wie es sich für eine richtige Cait Sith gehört, verblieb Gwen ruhig, majestätisch und in würdevoller Haltung. Dies galt allerdings nicht für ihren Schwanz. Sie formte selbst einen Schneeball und schleuderte ihn auf Brynhildr.

Als daraufhin eine wilde Schneeballschlacht entbrannte, hörten die Bediensteten, die wie üblich dem Gespräch gelauscht hatten, lautes Gelächter. Der Trupp Männer, den sie für den Fall, dass es zu Blutvergießen käme, heimlich herbeigerufen hatten, entspannte sich wieder und kehrte in seine Kaserne zurück.

Einige Stunden und etwas nasse Kleidung später wurde das Gespräch fortgesetzt.

„Ich sage nicht, dass es nicht möglich ist“, brummte Sigurd immer noch etwas mürrisch, „doch selbst diejenigen jenseits des Veils würden das Wahnsinn nennen. Selbst wenn ich mich dir anschließen und unsere größten Schätze opfern würde, um ein neues Land aus dem Ozean zu heben. Was dann? Kämpfen wir dann darum, wer in der Stadt leben darf?“

„Ein Kampf, den wir gewinnen würden“, murmelte Gwen wenig hilfreich.

„Ist es das, wonach du suchst Artus? Einen weiteren Krieg?“, fragte Brynhildr. Doch sie kannte die Antwort bereits.

Artus’ Augen glühten voll einer Leidenschaft, die selbst Gwen selten zu Gesicht bekam. Der Deamhan in seinem Blut trieb ihn voran. „Nein, niemals. Ich möchte, dass die Stadt uns allen gehört. Mir, meinen Brüdern und unseren drei Reichen. Unsere Völker werden zusammenarbeiten, um diese Stadt zu errichten und es wird unser gemeinsamer Machtsitz. In diese Stadt stellen wir eine runde Tafel, sodass niemand den Vorsitz innehabe. Diese Stadt soll Camelot heißen und es wird die eine, wahre Stadt in der Welt sein. Als Brüder wollen wir ferner von dieser Stadt aus regieren, bis die Ewigkeit endet oder unsere letzte Ruhe beginnt.

Noch bevor Sigurd Einspruch erheben konnte, fuhr Artus fort: „Es gibt stetig mehr und mehr Leute, die es auf dem verbleibenden Land unterzubringen gilt. Das erste Mal seit Äonen läuft uns tatsächlich die Zeit davon.

Sigurd schnaubte: „Nein, meine Geduld läuft dir davon. Mein…“

„Gemahl“, sagte Brynhildr sanft, „Warte. Sei bitte für einen Moment ruhig. Für mich.“

Sigurd, erstaunt von den sanften Worten seiner Frau, verstummte. So kannte er die wilde Kriegerin, die er geheiratet hatte, nicht.

„Artus“, sagte Brynhildr, „woher weißt du, dass es funktionieren wird? Und selbst wenn es das tut, was kommt danach? Du bist Sigurds Bruder und solltest dir der Kränkung bewusst sein, die du ausgesprochen hast.“

„Ich weiß wahrhaftig nicht, ob ein solches Unterfangen möglich ist. Es sollte möglich sein. Es muss möglich sein. Das Ergebnis bleibt jedoch auch für mich ungewiss. Ich kann dir folgendes versprechen: Ich werde zuallererst die Lande meines eigenen Volkes riskieren“, sagte Artus. „Wie auch immer sich meine Brüder entscheiden sollten, ich werde ich die Stabilisatoren meiner Lande in den Tiefen des Ozeans platzieren.“

Noch bevor Sigurd etwas erwidern konnte, beschwichtigte ihn Gwen und flüsterte: „Artus spricht mit Myrddins Stimme. Die Stimme der Prophezeiung.“

„Sei gewarnt“, fügte Brynhildr streng hinzu. „Meine Unterstützung deines Plans hat ihren Preis, Sturmbruder. Du musst einen Eid schwören, dass du diesem neuen Land und dieser neuen Stadt gegenüber keinen Verrat planst, egal wie gut verborgen oder wohlgemeint. Dass jedes heute von dir gesprochene Wort wahr ist und du nicht anstrebst, diese neue Stadt zu kontrollieren, sobald sie erbaut ist.“

Gwens ohnehin schon beeindruckenden Nackenhaare stellten sich angesichts Brynhildrs Wortwahl noch stärker auf, aber sie blieb still. Sie würde dies nicht vergessen.

„Nichts leichter als das“, sprach Artus und zog kurzerhand Excalibur, während er auf ein Knie sank. Er hielt die Spitze seines geliebten Schwertes nur knapp über den Boden.

„Beim Schwerte Excalibur, schwöre ich, als König aller Briten und als Sturmbruder, dass alles, was ich heute gesagt habe, der Wahrheit entspricht. Weiterhin schwöre ich, dass ich nicht danach streben werde, über die neuen Lande und die eine, wahre Stadt zu herrschen.“

„Solange sie bestehen“, fügte Brynhildr hinzu.

„Solange sie bestehen“, wiederholte Artus. Er hielt seine linke Handfläche unter das Schwert und durchstach sie. Das Blut begann sich ungehindert aus der schmalen aber tiefen Wunde auf die steinernen Fliesen zu ergießen.

Er sprach: „All dies schwöre ich bei meinem Blute, meiner Kraft und meiner Seele!“, und beim Klang dieser Worte leuchtete das Blut auf dem Grund hell auf, während Artus’ Kraft und Seele einflossen. Das Blut sammelte sich und gerann zu einem puzzleförmigen Gebilde mit ineinandergreifenden Stücken.

„Es ist vollbracht“, sprach Artus, hob das erhärtete Puzzle auf und übergab es Brynhildr.

Brynhildr akzeptierte das Eidessiegel, verbeugte sich leicht und zog ihre Flügel ein. „Es wäre ein neues Leben, Artus. Eines, das wir bisher nicht kennen.“

„Hm. In der Tat.“, sagte Sigurd, rieb sich das Kinn und suchte Blickkontakt mit Artus. „Aber die Wikinger haben sich noch nie vor dem Unbekannten gefürchtet.“ Und endlich nickte er.

Artus lehnte sich erschöpft in seinem knarrenden Lederstuhl zurück. Wenn es schon so viel brauchte, um Sigurd auf seine Seite zu bringen, wie in Gottes Namen sollte er dann seinen anderen Bruder überzeugen?

 

Erwartet die Antwort in Geschichten aus der einzig wahren Stadt – Teil IV!

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