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Dies ist die siegreiche Fan-Fiction-Geschichte aus unserem Forencontest, verfasst von Ortu.

Die beiden anderen Treppchen gingen an den Limerick von JaironKalach und die Geschichte von Tarsir.

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Ortu streckte langsam seinen Kopf über die Hügelspitze und begutachtete das Ungeheuer weiter unten. Er und Callin waren dem Krachen und den dumpfen Schlägen gefolgt, die in der vergangenen Stunde den Pfad des Jötnars kenntlich gemacht hatten. Aber nun hatten sich die Bäume zum ersten Mal genug gelichtet, um endlich einen ersten ungehinderten Blick auf die Bestie zu erhaschen. Er hatte natürlich schon einige Geschichten über diese furchteinflößenden Frostriesen gehört. Einige Luchorpánmütter waren dafür bekannt, mit den Kochtöpfen der Jötnar zu drohen, damit die Kinder artig sind, und seine Mutter war keine Ausnahme gewesen.

Sogar aus dieser Entfernung war die Größe des Riesen beeindruckend. Er überragte Callin bei Weitem, der neben Ortu selbst wie ein Riese wirkte. Ortu sah flüchtig herüber, während sich die Silberhand dicht neben ihn setzte, um selbst einen Blick auf ihre Beute werfen zu können.

„Also gut, wir haben es gefunden. Was machen wir jetzt?“, fragte Callin.

„Es töten natürlich“, gab Ortu grinsend zurück.

„Was, zu zweit? Das Ding ist riiiesig!“

Ortu rutschte zurück den Hügel hinab und außer Sichtweite des Jötnar. Er befürchtete nicht den Riesen zu verlieren, jetzt da sie so nah an ihm dran waren. Er griff nach seiner Whiskeyflasche und dachte einen Moment nach, während er trank. Warum war es hier? Warum war es allein? Sie waren tief im Gebiet der Tuatha und somit weit von der Heimat des Jötnar entfernt. Ortu überprüfte seine Klingen, obwohl er wusste, dass sie alle bereit sein würden, aber es beruhigte ihn, das vertraute Gefühl der abgenutzten Griffe zwischen seinen Fingern zu spüren.

Callin war zu ihm heruntergekommen und hockte sich neben ihn. Ortu konnte förmlich die Frage in seinem Gesicht ablesen. Die Silberhand war nicht unbedingt die Klügste, konnte aber in einer Rauferei gut auf sich selbst aufpassen.

„Du willst es wirklich angreifen?“, fragte Callin mit Nachdruck. „Du Mistkerl, ich habe nicht mal ein Schild. Wir werden nicht in der Lage sein, uns ihm zu stellen und Schläge einzustecken.”

Ortu verstaute seinen Whiskey und sagte: „Lenk es einfach von mir ab“.

„Wie?“

„Ach, ich bin mir sicher, dir wird schon etwas einfallen“, gab der Luchorpán grinsend zurück.

Callin rollte mit den Augen, während er antwortete: „Na ja, du könntest ihn auch beschäftigen, ich glaube, du bist an der Reihe“.

Ortu beäugte seinen größeren Gefährten mit einem süffisanten Grinsen und sagte: „Alles klar!“. Ohne Zeit zu verschwenden zog Ortu mit jeder Hand eine Waffe und rannte den Hügel hinauf. Als er die Hügelkuppe erreichte, machte er einen kleinen Sprung und landete auf halbem Weg die andere Seite hinunter, bevor Callin reagieren konnte. Callin hatte nicht damit gerechnet, dass der kleine Racker tatsächlich ernst machte.

Die Erde am Hang war lockerer, als Ortu erwartet hatte. Trotz seiner flinken Füße rutschte ihm beim Landen der Boden weg. Die Welt neigte sich und er rollte sich rasch zusammen, während er versuchte, die Klingen von sich wegzuhalten, um sich nicht selbst zu schneiden. Er war ein wenig benommen, als er am Fuße des Hügels zum Stehen kam. Seine Augen weiteten sich, als er einen gezackten Eisspeer in seine Richtung fliegen sah.

„Miep!“, schrie er auf. Schnell huschte er weg, als fast im gleichen Moment der Speer an der Stelle tief in die Erde drang, an der er zuvor gelegen hatte. Er fand sich ein paar Meter weiter wieder und seufzte sanft vor Bedauern. Als er seinen kleinen Ansturm begann, hatte der Riese sie schon viel früher als gehofft entdeckt.

Ortu sah die Silberhand oben am Hügel stehen, während der Jötnar, der bereits einen weiteren glitzernden Eisspeer in der Hand hielt, sich anscheinend nicht entscheiden konnte, wen er denn nun angreifen sollte. Ortu warf eine seiner Klingen gegen den Kopf des Riesen, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und zog schnell eine weitere. Der Jötnar drehte sich brüllend zu Ortu um und schlug die Klinge mit seiner grobschlächtigen Hand weg. Ortu rannte auf den Riesen zu, tauchte zwischen seine Beine und schlug zu beiden Seiten mit seinen Klingen um sich. Die Fellstiefel des Jötnar waren jedoch so dick, dass er kaum das Leder angekratzt hatte, geschweige denn den Jötun selbst. Doch der Riese war schwerfällig und langsam, so dass es Ortu problemlos gelang, aus seiner Reichweite herauszutänzeln, bevor der Jötnar zum Gegenangriff ansetzen konnte.

Inzwischen war Callin näher herangekommen. Seine silbrig schimmernde Hand umklammerte einen schweren Streitkolben. Mit einem mächtigen Hieb traf er das Knie des Jötnar und Ortu konnte sogar aus der Ferne die Knochen ächzen hören. Der Jötnar wirbelte herum, um, wie zu erwarten, nach der Silberhand zu greifen. Ortu verschwendete keine Zeit und stürzte sich abermals in den Kampf.

Als der Riese seinen Eisspeer in einem beängstigendem Bogen herunterschwang, hob Callin seinen verstärkten Arm, um den Schlag abzufangen. Obwohl er auf den Schlag vorbereitet war, knickte er unter dem heftigen Hieb ein. Sein silbernes Fleisch verdrehte sich mit einem unmenschlichen Quietschen und er selbst schrie vor lauter Qual auf.

Mit einem wilden Grinsen zeigte Ortu seine Zähne und griff nach dem Stiefel des Riesen. Der Jötnar war bereits tot, auch wenn er dies selbst noch nicht wusste. Callin würde wieder gesund werden… wahrscheinlich. Er streckte seine langen Finger und flinken Füße und kletterte an der groben Kleidung des Riesen hinauf. Das Leder war steif und die Kleidung rau. Es erinnerte ihn fast an die Bäume, auf die er in seiner Kindheit geklettert war und die er erobert hatte. Er hatte den Rücken des Jötnar bereits zur Hälfte erklommen, dabei duckte er sich und schwang hin und her, um der kalten Hand des Riesen, die blind nach ihm griff, auszuweichen.

Callin hatte sich zurück gerollt und starrte mit halb geöffnetem Mund nur noch vor sich hin, als der kleine Luchorpán die Schulter des Ungeheuers erreichte. Geschickt schlug er die Klinge tief in das Auge des Jötnar. Verzweifelt stieß Ortu seine andere Klinge in die Schulter des Jötnar und hielt sich angestrengt daran fest, während der Riese versuchte ihn abzuschütteln. Noch während der Jötnar sich verzweifelt ins Gesicht griff, fiel er auf die Knie. Sichtlich erschöpft richtete sich Callin auf und nahm seinen Streitkolben in die unverletzte Hand. Er musste sich darauf konzentrieren, nicht zu taumeln, während er sich dem Riesen näherte, doch er sammelte alle Kraft, die ihm verblieben war, in einem letzten Schlag gegen den Kopf der Bestie.

Der Schlag seines Streitkolbens gegen den Schädel des Jötun war scheußlich und brachte ihn gänzlich zu Fall. Der Riese lag benommen und leicht zuckend am Boden, als Callin den Kolben fallen ließ. Ortu riss den Kolben an sich und hämmerte auf die Kreatur ein, bis sie sich nicht mehr rührte.

„Na also, das lief doch gut“, scherzte Ortu, schwer atmend von den Anstrengungen.

Callin konnte nur noch mit dem Kopf schütteln. „Du weißt hoffentlich, dass du mir etwas schuldig bist für die Reparaturen“, knurrte er, während er auf seine verletzte Hand deutete.

„Ja“, grinste der Luchorpán.

„Callin?“, fragte er weiter.

„Ja?“

„Ich will sein Auge!“, rief Ortu.

„Was…?! Warum das denn?!“, fragte die Silberhand entgeistert.

„Ich will eine Trophäe von dieser gewaltigen Schlacht! Hast du gesehen, wie riesig das Ding war?“, grinste Ortu.

„Aber warum sein Auge?“, fragte Callin.

Ortu zuckte mit den Schultern und sagte: „Warum nicht? Du kannst ja sein Ohr haben, wenn du willst.“

„Nein danke….ach beeil dich einfach damit“

„Callin?“, sagte Ortu.

„Ja?“

„Nimmst du mich Huckepack?“

„NEIN!“, brüllte die Silberhand, während der kleine Luchorpán kichernd davonhuschte.

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