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Irgendwo tief im Innern eines längst inaktiven Vulkans, füllte sich ein höhlenartiger Raum langsam mit jungen Wikingern, welche in die schwarz-roten Novizenroben der Geweihten der Hel gekleidet waren. Als sie stehend ihren Platz vor einer Statue der Hel einnahmen, wurden die Novizen von einer Geruchsmischung begrüßt, die so penetrant wie stark war: Asche, Tod, Macht und Schweiß von den nervösen Körpern derer, die an diesen verlassenen Ort gereist sind, um ihren letzten Schwüre abzulegen.

Auch wenn der Zorn des Vulkans schon seit der Zeit vor den Veilstürmen nicht mehr gespürt worden ist, war der Raum trotzdem deutlich zu heiß für die meisten Wikinger, von denen viele anfingen an ihren schweren Wollroben zu zerren und sich in dem glühend heißen Dunst sichtbar unwohl fühlten. Einmal versammelt, warteten sie gefühlt mehrere Stunden und einige unterlagen der Kombination aus glühender Hitze und dem schädlichen Dunst, so dass sie von höherrangigen Geweihten der Hel weggetragen werden mussten.

Minuten wurden zu Stunden und dann, ohne Vorwarnung, wurde der Raum plötzlich kälter und der ungesunde Dunst glich nun einem frischen Herbstmorgen. Als die Temperatur herabfiel, fanden sich weitere Initiierte den Boden küssend und auch sie wurden weggetragen, wenig feierlich am Eingang der Höhle abgelegt und die Roben ihren zitternden Körpern entrissen. Die Versammlung, in ihrer Anzahl nun drastisch verringert und unwissend, was als nächstes kommen sollte, fing an sich zur Wärme und Sicherheit zusammenzudrängen. Langsam stieg die Temperatur wieder und erreichte eine Punkt der Balance zwischen kalt und heiß. Selbst der Geruch im Raum war nicht mehr einzuordnen; er war weder angenehm noch abstoßend. Als die Balance erreicht war, wurde die Höhle mit dem Dröhnen eines Instruments gefüllt, dass sich am Besten als funktionsgestörte Verbindung von Trommel und Horn beschreiben ließe. Beim letzten Ton trat ein Mann, gekleidet in den Roben des Sprechers von Hel, vom Fuße der Statue hervor und stand nun vor der dezimierten Versammlung.

„Hört mich an Anwärter der Hel, der wahren und gütigsten Mutter der neun Welten,“ stimmte der Sprecher Hels an, als sich die offensichtlich aufgewühlten Anwärter näher um ihn versammelten. „Ihr habt euch entschieden den einen wahren Pfad zu folgen, was äußerst weise ist. Wenn ihr aber denkt, dass dieser Weg einfach ist, dann irrt ihr euch, so wie die Narren in den Verfluchten Reichen, die glauben unsere Welt vor der Zerstörung retten zu können. Hört genau zu, wenn ich euch unsere Geschichte erzähle und was es bedeutet, sich dass Recht zu verdienen ein Geweihter der Hel zu sein.“

„Hel ist keine Göttin, wie die Unwissenden glauben mögen. Wie ihr gelernt habt, ist sie eine der Höheren Mächte, Wesen derart verändert durch die Veilstürme, dass sie nun mehr sind als einfach nur Menschen. Anhand eurer ersten Prüfungen versteht ihr zweifellos, dass ihre Evolution sowohl mächtig als auch schmerzhaft war, so wie die Dualität ihrer Erscheinung zeigt. Wie bei vielen der Höheren Mächte, war es ihre innere Stärke, die sie vor der Kraft der Veilstürme beschützte und transformierte. Als ihre Verwandlung abgeschlossen war, blieb sie zurück als ein Wesen, das gleichzeitig in mehreren Welten existiert. Wo auch immer sie wanderte hinterließ sie Leben und auch Tod, nährte sich davon und wurde noch stärker. Bis zu jenem glorreichen Tag, als sie auch Leben und Tod übertraf und zu dem wurde, was sie heute ist.“

„Ein HelBound zu werden bedeutet Schmerz und Genuss, Kraft und Schwäche, denn wir sind, wie unsere Mutter, Kreaturen dualer Natur. Sobald ihr diesem Schwur ablegt, seid ihr für immer an sie gebunden und ihr erkennt an, dass ihre Existenz in dieser Welt unbeständig ist. Sie wird euch zeichnen, so dass jeder, den ihr trefft, eure wahre Treue und euer Schicksal kennt. Tragt ihr Mal mit Stolz, denn solange ihr dies tut, werdet ihr in der Lage sein Gaben zu nutzen, um ihre Ziele in dieser Welt voranzutreiben. An dem glorreichen Tag, an dem eure Existenz in dieser Welt endet, werdet ihr euch unserer Mutter in ihrem Reich anschließen und ihr dienen, während sie über die neun Welten wacht.

Neulinge unterziehen sich der Zeremonie der Wiedergeburt und erhalten danach ihr erstes Mal der Hel“, fuhr der Sprecher in eisigem Ton fort. „Geweihte der Hel folgen unterschiedlichen Pfaden im Dienste unserer Mutter, also entscheidet euch weise. Betrachtet diese Entscheidung nicht als Illusion, nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein, denn diese Entscheidung legt fest welche Runen euch von Hel persönlich gewährt werden. Wenn auch ihr während eurer Reisen weitere Runen lernen werdet, so legen diese Kernrunen fest, was Hel von euren Diensten erwarten kann.“

„Wählt ihr den Pfad des Lebens, lernt ihr die magischen Runen, die für die Kunst des Heilens stehen. Wählt ihr den Pfad des Todes, so lernt ihr Runen, die euren Feinden den Tod bringen. Für uns öffnet Blut den Zugang zum Veil und durch das Blutvergießen, sowie eurer Verbindung und Hingabe zu Hel, beschwört und kontrolliert ihr die Magie eurer Runen. Jedes mal, wenn ein Geweihter der Hel einen Zauber wirkt, verstärkt sich sein Band mit Hel. Dieses Band wächst immer weiter, während ihr euch aufopfert und unserem Reich dient.“

„Anhand eurer Wahl wird euch eine Waffe ausgehändigt und diese Waffe wird mit eurer Seele verbunden sein. Dieses Band kann später auf eine andere Waffe übertragen werden, doch ihr könnt immer nur mit einer Waffe verbunden sein. Alternativ könnt ihr euch auch dazu entscheiden eure bloßen Hände als Waffe zu nehmen. Wenn auch nicht ganz so effektiv, wie eine geschmiedete Waffe, so wird bei dieser Wahl eine dauerhafte Rune der Macht in eure Hände eingeätzt. Mit der Zeit wird Hel eure Hände stählen, so dass sie einer geschmiedeten Waffe ebenbürtig werden.“

„Wenn das finale Bindungsritual abgeschlossen ist, werdet ihr in der Lage sein tapfere Seelen, die diese Welt bereits verlassen haben, in den Kampf zu rufen, damit sie euch bei euren Vorhaben unterstützen. Dies ist Hels größte Gabe an diejenigen, die ihr dienen. Im Gegensatz zu den Verfluchten Reichen haben wir schon immer die Bedeutung unserer Vorfahren anerkannt und wir sind dankbar für die Gaben, die ihr Ableben uns gebracht haben. Als ein Geweihter der Hel könnt ihr gefallene Vorfahren beschwören, so dass sie sich mit euch vereinen und ihr für kurze Zeit an ihrer Stärke und Macht teilhaben könnt. Wie eurer Band mit Hel, so wird sich das Band mit euren Vorfahren, während ihr selbst an Macht gewinnt, verstärken, und ihr werdet in der Lage sein auf verschiedene Aspekte von ihnen und anderen Vorfahren zurückzugreifen. Ruft sie herbei, doch seid euch immer im Klaren darüber, dass es für Macht immer einen Preis zu zahlen gibt, egal ob sie von den Veilstürmen oder Hel persönlich kommt.“

„Also meine kleinen Helianer,“ sagte der Sprecher fast schon freundlich, „was sagt ihr? Seid ihr bereit die Herausforderungen und Belohnungen anzunehmen, die im Dienste unserer gütigen Mutter dazugehören? Falls ja, so habe ich euch noch eine letzte Sache zu zeigen, bevor ihr eure Entscheidung trefft.“ Der Sprecher legte langsam die zweifarbige Robe ab und als er dies tat, erstarrten einige der Anwärter bei dem grausamen Anblick. Erst jetzt wurden ihnen bewusst, welchen Preis er wirklich für seine Hingabe gezahlt hatte. Sein Körper schien aus zwei völlig unterschiedlichen Hälften zu bestehen, die allein durch die Kraft seines Willens zusammengehalten wurden. Eine Seite war leblos, überzogen von abgestorbenem Fleisch, während die andere Hälfte, bedeckt von einer Masse an fremdartigen Organismen, viel zu lebendig wirkte. „Dies ist der Preis den ich dafür zahle im Dienste unserer Herrin zu stehen und ich würde es mit Freude wieder tun. Es liegt nun an euch, doch bedenkt immer, eure Entscheidungen haben Konsequenzen.“

Vor der Versammlung von Männern und Frauen stehend, lächelte der Sprecher innerlich, denn er wusste, dass seine Worte fast ausschließlich der Wahrheit entsprachen. Es gab einige wenige Dinge auf seinem gewählten Pfad, von denen er sich wünschen würde, dass sie kein Teil des Paktes mit Hel wären. Er hatte bereits vor langer Zeit lernen müssen, wie schwer seine Entscheidungen wiegen konnten. Erst Recht wenn er es mit einer Halbgöttin zu tun hat, die früher einmal seine Tochter war.

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