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Die Brennofengeborenen – Teil 3

Als das Mahl vorbei war, winkte Yosef mit seiner enormen Hand den kleinen Golems, die in seinem Haus aus Lehmziegeln herumrannten, dass sie rausgehen sollten. Sie lachten ihn mit einem Funkenregen an, während die Kleinste sich in die Kleidung ihrer Mutter wand und den menschlichen Gast schüchtern anstarrte, obwohl sie beinahe seine Höhe hatte und zweimal so schwer war.

Der Historiker von Artus’ Hof wischte sich den Mund ab und seufzte, zu voll um noch mehr der gerösteten Nüsse und Trauben in sich hinein zu stopfen, mit denen das Mahl geendet hatte. Mit leichtem Bedauern griff er wieder nach seiner Feder und der Tinte. „Werden wir dann mit der Geschichte fortfahren?“

Yosef polterte tief in seinem Inneren, als er den Ofen seines Körpers wachrüttelte. „Das werden wir.“

Der Rauch der verbrannten Türme strömte aus den heruntergefallenen Steinen in großen Säulen aus Dunkelheit, steif gegen den jetzt wolkenlosen Himmel. Die Lehm-Sklaven brannten und rauchten mit der Wahrheit, die ihnen ins Gesicht geschrieben war, als sie ihre alten Leben hinter sich ließen. Der Bergpfad erhoben sich hoch über ihnen, um ihrer Flucht Einhalt zu gebieten, aber die großen Distanzen waren bald durch die enormen Schritte der befreiten Sklaven überwunden.

Magie sprudelte und wirbelte über der rauchenden Ruine herum, beinahe so, als ob sich eine Armee sammeln würde, um die Golems zu verfolgen und einzuholen. Doch sie wussten, es war nur eine Illusion. Die Sprecher der Lügen waren in den Untergrund getrieben worden, tief in ihre Höhlen, um dem feurigen Sturm ihrer Zerstörung zu entkommen, tief in die Dunkelheit der Depths.

Die Golems liefen und trugen nichts mit sich außer den Lehmtafeln, die sie den verzehrenden Flammen des Brennofens von Ur entrissen hatten.

Ihre Schritte brachten sie hoch in die Berge, in das klarste, hellste Licht, das sie jemals gesehen hatten, jene Sklaven, geboren und aufgezogen in der Dunkelheit und im Rauch. Das Licht explodierte förmlich über ihnen, wie eine Flut aus strahlendem Gold und sie schrien vor Schmerzen und Verwunderung. Obwohl sie noch nie solch ein Licht gesehen hatten, fühlte es sich an, wie die Erfüllung eines Geburtsrechtes, das sie zuvor nicht hatten.

Die Stimmlosen öffneten ihre neuen Münder und sangen, ihre Stimmen scharf und unbenutzt, aber erfüllt mit Freude. Die Sonne schien auf sie herab, wie ein Großvater, der sie liebte, der Wind blies um sie zu kühlen und er trug den Geruch ihres heißen Lehms über die Gipfel.

Sie streiften umher und drängten sich zusammen. Sie nahmen jeden neuen Anblick mit Ehrfurcht auf. Bald waren die Golems in ungleichen Gruppen über die Berge zerstreut, schweiften umher und verirrten sich. Sie hatten niemals auf solch weiten Freiflächen Zeit verbracht, mit Ausblicken auf die umgebenden Länder an jeder Stelle. Sie starrten, sangen und hörten gegenseitig ihre Stimmen an, doch bald konnten sie nur noch die Echos der anderen Golems durch die Täler hören.

Es war Maharal, steif und hinkend, die sich zur Spitze der Golems durchschob und einen tiefen Atemzug nahm. Sie schickte einen Strahl von Rauch in die Luft, eine Säule, die sie führte.

Ihrem Signal folgend, kamen die Golems zusammen und fanden ihren Weg über die hohen Berge. Dort war wenig Leben, oben in den kältesten Bereichen. Maharal führte sie, stolpernd aber erhobenen Hauptes. Sie hatten keine Probleme sich in der Dunkelheit der Nacht zu orientieren, so gewöhnt, wie sie an das Sternenlicht waren und unterstützt durch ihre eigenen Flammen.

Sie kamen zu Plateaus hoch in den Bergen, wo hart gesottene Wikinger lebten, hin- und hergeworfen durch die Winde und durchnässt von kaltem Regen. Die Leute hier lebten ein hartes Leben und sie waren hart geworden, um es zu leben. Die Häuser waren groß, gebaut mit schrägen Dächern für die raue Winter. Die Golems näherten sich der Ortschaft vorsichtig. Sie fragten sich, wer hier lebte, draußen im Freien. Es unterschied sich so stark von den Sklaven-Höhlen, wo die Golems gefangen gehalten wurden.

So sammelten sich die Lehmriesen rund um das erste Gebäude des Dorfes, als ein eigenartiger alter Mann heraus kam, um mit ihnen zu reden. Er führte eine nackte Klinge in der einen Hand, leichthändig, obwohl sie so groß war wie er. Seine Faust packte den Griff fester, als er zur gekrümmten und rissigen Maharal hinaufblickte und fragte: „Wer seit ihr und was wollt ihr ?“

Mit der Stimme, die verbrannt und gebrochen war durch Übung, antwortete Maharal: „Wir sind die Brennofengeborenen und wir sind auf der Suche nach einer neuen Heimat.“

Der Mann schien zu überlegen und strich über sein graubehaartes Kinn. Er hatte ein blindes Auge, mit weißlich blauem Farbton, das leer vor sich hin starrte, während die andere scharfe schwarze Pupille die rauchenden Golems überblickte, die über den Kamm kamen. „Ihr seid in ein Wikingerdorf gekommen, um nach einer neuen Heimat zu suchen? Ihr kommt aus den Ländern, die von den Sprechern der Lügen kontrolliert werden?“

„Ja.“ Maharal schaute mit ihm zurück über ihr Gefolge, als diese langsam über den Kamm kamen.

Da war eine Anspannung im Gesicht des Mannes. Ein Muskel zuckte als er zu den enormen, rauchenden Gestalten emporblickte. „Nun, ihr seht stark aus. Wir brauchen Stärke, hier. Die Winter sind hart und wir müssen bessere Unterkünfte bauen, wenn wir überleben wollen.“

„Wir werden euch helfen.“

„Aber wisst dies.“, sagte die Frau des Mannes und trat aus ihrem alten, hölzernen Haus heraus. „Wir sind keine Narren. Wir haben Geschichten davon gehört, was ihr getan habt, ehe ihr hier her kamt. Wenn ihr euch ändern könnt, dann dürft ihr unsere Wände bauen. Wenn ihr euch nicht ändern könnt, wisset, dass wir Krieger bis auf die Knochen sind und keine böswilligen Kreaturen hier ertragen.“

Maharal nickte langsam. „Wir sind keine bösen Kreaturen. Und wir haben viel zu lernen. Wir werden erfreut mit euch zusammen bauen.“

Die Wikinger schauten einander an und schienen etwas unausgesprochenes auszutauschen. Die Golems betraten die Ortschaft.

Die Wikinger machten ein wenig Platz für sie in der Ortschaft frei und die Brennofengeborenen bauten Baracken und Hütten mit dem kreidehaltigen Lehm und den Steinen der Berge. Die Blätter fielen in Büscheln und es gab Schauer mit der Farbe von heller Asche, als eine Mauer um das Dorf gebaut wurde. Die Golems waren erfahrene Erbauer und bald fanden sie heraus, dass sie höher, schneller und weiter als jeder der Wikinger in der kleinen Ortschaft bauen konnten.

Die Brennofengeborenen tauschten ihre Arbeit für ihren Lebensunterhalt und sie versuchten Freunde zu werden mit dem rauen Volk, aber es war extrem schwierig. Die Wikinger betrachteten die großen Lehmkreaturen misstrauisch, die brannten und rauchten wie ein Brennofen und nichts von ihren Traditionen wussten.

Viele der Golems saßen auf Steinen herum und starrten hinaus auf die Ausblicke der Berge, während ihre Landsmänner an den Wänden arbeiteten. Sie waren erschöpft und der Geist der Freiheit war zu viel für sie. Sie waren es gewöhnt, mit der Peitsche und schrecklichen Visionen durch die Sprecher der Lügen angetrieben zu werden.

Maharal war keine von diesen. Noch war es Dinah, ein willensstarker Golem, die die Konstruktionsarbeit übernahm, wenn Maharals verbrannter und rissiger Körper in Erschöpfung aufgab und der alte Golem ruhen musste.

Es war eine gefährliche Arbeit, da die Wand hoch und breit hinaufwuchs, ein stabiler Schutz vor den Winden des Winters, die langsam über die Gipfel kamen. Zu der Zeit als der erste Frost kam, war die Wand beinahe fertiggestellt. Es war zu dieser Zeit, als Dinah eine Unterhaltung mithörte, während sie eine Rast hinter einer Gaststätte nahm, für die sie zu groß war, um hinein zu passen.

Ein Wikinger sagte zum anderen, „Die Mauer kommt gut voran. Es wird diesen Winter wärmer sein. Mein Haus wird dieses Jahr nicht umgeweht werden.“

Die Stimme des anderen Sprechers war undeutlich, da er stark betrunken war. „Ja das ist gut. Man kann aber nicht sagen, woraus sie gebaut wurde. Ich habe gehört, dass sie Kinder in die Ziegel getan haben, als sie den Turm der Lügen auf der anderen Seite der Berge gebaut haben. Man kann diesen Brennofengeborenen nicht trauen.“

Der erste Sprecher zögerte. „Das hast du gehört? Ich habe gehört, sie waren Sklaven und sind geflüchtet.“

„Geflüh-schtet? Nein, Nein, Roger, das hasht du flasch verstanden. Falsch. Du kennst die Geschichte. Sie töteten ihre Meister und brannten die Stadt bis auf den Grund nieder. Wir sollten besser sicherstellen, dass sie uns nicht das shelbe antun.“

„Ich verstehe. Doch wer weiß, ob es so passiert ist? Wo hast du das gehört?“

„Ein shonderbarer Bursche. Reiste in einem schwarzen Umhang. Er sprach mit einigen Leuten im Dorf, dann war er fort, ehe einer der Brennofengeborenen ihn sehen konnte. Was wir nicht wissen ist, ob sie wirklich Blut trinken, wie man sagt.“

„Wie wer sagt?“

„Der Aufsheher, so nannte er sich shelber. Der der sphricht, du weißt schon. Der Anführer. Er und der Aufsheher. Es wird gesagt – wohlgemerkt nicht von mir – dass es das Dingsda ist, das sie opfern, um diese Golems zu erschaffen. Fürchterlich. Die Magie der Depths erschafft sie. Wir sollten besser achtgeben.“

„Gut, wir werden unsere Augen offen halten. Ich fühle mich nicht wohl mit ihnen, das ist wahr. Wir könnten nie Brüder im Kampfe sein. Aber man kann nicht abstreiten, dass sie gute Bauarbeiter sind.“

„Und auch ich kann das nicht abstreiten! Sie sind gute Bauarbeiter, aber du musst vorsichtig sein. Sie sind nicht wie echte Wikinger-Bauarbeiter. Es ist einfach nicht das selbe, es ist ein bisschen Komisch und man kannst nie entspannen.“

„Du weißt, dass sie immer die Wahrheit sagen? Wenn du sie fragst, was sie denken, werden sie es dir geradeheraus sagen. Sie haben keinen Filter für ihre Worte.“

„Ja sie sind nicht die schlauesten. Man kann niemanden vertrauen, der behauptet, immer die Wahrheit zu sagen, oder? Der Aufseher in dem Umhang sagte… Ehrlichkeit ist bedeutungslos für sie, weil Worte nur das sind, nur das was sie denken. Es muss ein kompletter Mensch sein, um ein Kampfbruder zu sein oder man muss wenigstens echte Haut, echtes Blut in sich haben, das einem selbst gehört und nicht von irgendwelchen armen Sklaven genommen wurde.“

Dinah, die zuhörte, war erschrocken und betrübt. Die Golems würden niemals vollkommen akzeptiert werden. Sie würden niemals Kampfbrüder mit den Wikingern werden.

Dinah ging um Maharal zu sprechen. Aber sie arbeitete an der Mauer und leitete die Golems an, während sie die mächtigen Steine des Tores platzierten, das Einlass in die Ortschaft gewähren würde. Etliche Wikinger standen herum, einschließlich des grauhaarigen Kriegers, den sie am Eingang der Ortschaft getroffen hatten, als sie zum ersten Mal herkamen.

Maharal hörte sich Dinahs Meinung an und hinterließ Anweisungen, wie fortgefahren werden sollte, bevor sie mit dem jüngerem Golem ging. Ihr wurde von dem belauschten Gespräch erzählt und sie verstand, dass ihre Zeit hier keinen Bestand haben würde.

Aber die Golems waren zu unorganisiert und zu erschöpft, um weiterzuziehen. Sie mochten es, hier, in einem besiedelten Gebiet zu leben. Sie mochten den Schutz, den die Wikinger boten.

So verging die Zeit in Mühe und Frieden, während die letzten Blätter vom Wind herumgeweht wurden und der Frost begann von den weißen Gipfeln herunter zu kommen. Bald pressten sich die Golems aneinander, um sich zu wärmen, ihre heißen Körper brannten die Kälte weg.

Die Wikinger waren froh genug über die Hitze und die Mauern, als der Schnee kam und die großen Winde auf den Schwingen des Todes über die Ebenen zogen. In diesem Jahr wurde keines der Häuser umgeweht und niemand war ohne Heim und erfror in der Weiße, als sie herabstieg. Essen wurde in der ganzen Ortschaft geteilt und jeder behielt sein Leben und seine Glieder.

Alte schrumpelige Älteste saßen beim Feuer und erzählten Geschichten und sprachen über Gerede. In das Licht der Feuerkreise an diesen langen dunklen Winterabenden kam ein Fremder in einem dunklen Umhang, wenn keiner der Brennofengeborenen in der Nähe war. In einer melodischen Stimme, tief aus seiner Kapuze heraus, erzählte auch er eine Geschichte, jedoch eine verdrehte. Es war die Geschichte eines großen Mannes, einer feurigen Bestie, die ein Wikingerkind nahm und es im Schnee erstickte, um mehr von seiner Art zu erschaffen. Die Geschichte wuchs in der Erzählung, verdreht wie sie war, und obwohl kein Name wie Golem oder Lehmkreatur genannt wurde, wusste jeder, wer gemeint war. Einige der Älteren flüsterten, dass der Fremde unter starken Illusionen versteckt war, aber sie konnten nur wenig machen, um die Macht der heimtückischen Geschichte in den Ohren der jungen Anführer zu schwächen.

Bis die Frühlingsschmelze begonnen hatte, die Berghänge hinabzufließen, lief die Geschichte wie ein Lauffeuer durch die Ortschaft. Unter den Wikingern begann missmutiges Gemurmel und sie fingen an, die großen Erbauer in den Straßen zu meiden. Doch die Golems blieben trotzdem.

Es gab einen schrecklichen Sturm, einen Schneeregen, der einen Teil des Weges wegspülte, der den Berg hinunterführte.

Der grauhaarige Mann kam ins Golemviertel, wo sie ihre Hütten und enormen einräumigen Häuser errichtet hatten. Er fragte, ob er mit Maharal sprechen könnte und wartete ungeduldig, während einer der Golems ging, um sie zu finden. Ein Bündel tragend, erschien Maharal.

„Was kann ich für dich tun?“ fragte sie.

„Ich werde es nicht schönreden. Wir können eure Anwesenheit hier in unserer Stadt nicht länger ertragen. Wir danken euch für eure Hilfe beim Bau der Mauer… aber ihr seid nicht länger willkommen. Ihr gehört nicht hier her.“

Maharal blinzelte müde zu ihm herab. „Was meinst du? Wir haben hier für beinahe ein Jahr gelebt. Natürlich gehören wir hier hin. Wir haben diese Häuser gebaut und wir haben diese Mauer mit unseren bloßen Händen errichtet.“

Der Wikinger schüttelte seinen graumelierten Kopf. „Es werden Geschichten darüber erzählt, was ihr in der Dunkelheit der Nacht macht. Wir können nicht riskieren, dass ihr in die Gebräuche der Sprecher der Lügen, eurer Schöpfer, abgleitet. Ihr könnt nicht bleiben.“

Maharal seufzte und blies dabei Rauch in den kalten Frühlingsabend hinaus. „Ich verstehe. Ihr verscheucht uns wegen einer ausgedachten Geschichte über einen Golem und ein Wikingerkind. Wir haben keine eigenen Kinder, noch nicht, und so vermutet ihr, dass wir eure wollen. Wir können uns nicht gegen diese Lügen verteidigen und wer auch immer sie begonnen hat, ist nicht mehr hier oder wahrscheinlicher komplett unbekannt für euch. Wenn die Dinge soweit fortgeschritten sind, dass ihr nicht mehr zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden könnt, dann ist es wirklich Zeit für uns zu gehen. Wir werden unsere Häuser niederreißen und am Morgen in die Kälte hinausziehen.“

Der Wikingermann zögerte erneut. „Nun – es gibt keinen Grund für euch, eure Häuser einzureißen. Ohne Zweifel werden wir sie in der Zukunft wieder benötigen.“ Er blickte flüchtig in Maharals wütendes Gesicht und fügte hinzu. „Nun, hier in den harten Bergen können wir es uns nicht erlauben, etwas zu verschwenden. Wir müssen so hart wie das Land und das Wetter selbst sein, um zu überleben.“

„Das ist eine Ausrede und beinahe eine Lüge. Ihr habt uns für euch bauen lassen und ihr habt den Lügen gelauscht, im Herzen wissend, dass die Wahrheit von dem unterscheidet, was das lose Mundwerk erzählt. Aber egal. Wenn wir nicht willkommen sind, dann werden wir gehen.“

Als Antwort drehte sich der Anführer der Wikinger und ging, seine Hand ruhte auf dem Knauf seines in Leder verwahrten Schwertes.

Bevor die Nacht zu Ende war, kamen Wikingerkrieger verwegen bis zur Grenze der Barackensiedlung der Golems. Sie hielten je eine Fackel in der einen Hand und eine Axt gesenkt in der anderen. Der Schein des Feuers flackerte über ihre glänzenden Helme und machte aus ihren Augen dunkle Schatten. Ihre Münder waren zu grimmigen Linien erstarrt, während sie ruhig und bedrohlich dastanden. Die Golems, die aus ihrem unruhigen Schlaf erwachten, wussten, dass diese Gegner wild und stark waren und sie konnten den auf sie wartenden Ärger fühlen, der wie der Sturm anwuchs, der sie befreit hatte.

Sie packten zusammen und gingen. Sie nahmen nur die wenigen Stücke mit, die sie durch die Güte der Dorfbewohner und aus ihren Abfällen zusammenkratzen konnten. Sie gingen durch die große, breite Mauer, die sie gebaut hatten und liefen hinaus durch das offene Tor, hinein in den dunklen Sonnenaufgang. Der Morgen fand sie auf dem Weg den steilen Pfad hinab. Das Gras zischte im Wind und sie konnten die Augen der Wikinger auf sich fühlen, wie sie ihnen nachblickten und ihren Fortschritt verfolgten.

Als der Zug der großen Lehmgolems den Punkt des Weges erreichte, wo der Pfad durch den Sturm hinweggespült worden war, mussten sie für einen Moment anhalten und hatten Mühe einen Weg hinab zu finden. Es bestand immer die Gefahr den Bergabhang hinunterzustürzen, was ihre letzte Reise wäre.

Es war Yosef, der sich zuerst hinlegte, um Stufen zu formen, die den Berg hinab führen würden. Dann Dinah, dann ein weiterer und noch einer, bis die Hälfte der Golems über ihre Brüder lief. Als der letzte Golem vorüber war, kehrte Yosef in seine natürliche Form zurück und folgte ihnen hinab. Es war still unter den Golems, als sie den Berg hinter sich ließen und hinunter in wärmere Täler zogen. Es gab nichts worüber man hätte singen können; sie waren wieder einmal Stimmlos.

Am nächsten Tag gingen sie weiter und danach immer noch weiter. Sie wanderten und bald fand sich Maharal wieder an der Spitze des Zuges. Sie blies Rauchwolken in den Himmel, um sie zu führen und zusammenzuhalten.

Ihre großen Schritte trugen sie weit, über Hügel und um Berge herum. Sie sahen andere Städte hoch in den verwitterten Höhen, aber die Brennofengeborenen hatten genug vom frostigen Willkommen, das sie erhalten hatten und vermieden sie großteils. Nur um ein paar Dinge von Wert, die sie auf ihrer Reise fanden, gegen Essen und lebensnotwendige Güter einzutauschen, gingen sie in die Städte. Sie wanderten weit und kamen in ein wärmeres Klima. Sie ließen die Berge hinter sich und fanden sich am Rand eines weiten Waldes wieder.

Die Bäume waren hoch und dicht verwachsen, ein reines Durcheinander von gewachsenen Dingen. Es war warm hier und eine Feuchtigkeit erfüllte die Luft mit Leben. Die Golems öffneten ihre Augen und guckten verwundert auf die gewundenen Bäume, die so hoch aufragten, dass die Spitzen nicht mehr zu sehen waren. Hier und da brachen Blumen durch das Blattwerk in hellem Blau und Rot, giftig hell. Die Golems traten mit Verwunderung und Ehrfurcht unter das grüne Blätterdach, ein mysteriöses schattiges Innenleben voll von raschelnden und versteckten Kreaturen, die einander riefen. Der Geruch von Rinde und feuchten Blättern flutete die rauchigen Sinne der Golems.

Der Wald schien ihnen zunächst zu widerstehen, aber ihrer unglaublichen Stärke schoben die Brennofengeborenen sich hindurch, begierig danach herauszufinden, was für eine Art von Kreaturen hier lebte. Die Hitze war intensiv und die Luft war drückend und schwer. Doch als die Golems nur versuchten voranzukommen und den Wald nicht in Brand setzten, schien er sich zu entspannen. Die Bäume und Ranken lockerten sich ein bisschen und es gab kleine Wildpfade, denen die riesiegen Golems folgten, obwohl sie so oft ausliefen und hinaus aus dem Wald führten, weg vom Herzen des Waldes führten sie ebenso oft tiefer hinein.

Ohne Anzeichen dafür öffnete sich der Wald in eine Wiese, eine große grüne Weite strotzend vor Leben. Es war wie nichts, das die Golems vorher schon einmal gesehen hatten. Sie atmeten die Luft und waren glücklich. Es fühlte sich an, wie nach Hause zu kommen, da sie durch den Kiln von Ur mit Leben erfüllt wurden, ehe dieser Teil von ihnen von den Sprechern der Lügen weggesperrt wurde.

Versprenkelt hier und da über die grüne Wiese waren große Bäume, enorme Eichen, die mit violetten Blüten zu blühen schienen. Als die rauchenden Brennofengeborenen näher kamen, sahen sie, dass diese keine Blüten waren, sondern glühende Punkte magischer Energie.

Die enormen Eichen waren umgeben von Behausungen, gebündelt unter ihren schützenden Ästen. Die Golems näherten sich mit Vorsicht, fasziniert von diesem merkwürdigen Anblick.

Eine Stimme sprach aus dem Gras, beinahe unter Malharals Füßen. „Ihr seid also zu den Kindern der Danu gekommen, Feuerherz. Willkommen im Wald.“

Maharal schaute hinab und sah einen Mann der Tuatha Dé Danann mit seinen Händen hinter dem Kopf im hohen Gras liegen. Er war unsichtbar gewesen, versteckt im Grün bis sie über ihm war. Lange gedrehte Hörner entsprangen seiner Stirn und er hatte ein breites Lächeln, das vor Selbstvertrauen beinahe leuchtete. Die Augen, jedoch waren tief und hart, voll von Kampfbereitschaft.

Maharal räusperte sich. „Wir sind auf der Suche nach einer neuen Heimat hierhergekommen. Vielleicht können wir euch helfen, hier neue Dinge zu errichten, in eurem Wald unter den großen Beschützerbäumen.“

Der Tuatha-Mann sprang auf und sein Lächeln wurde breiter. „Das ist in der Tat, wie sie genannt werden! Vielleicht könnt ihr doch ein Teil unserer kleinen Siedlung werden. Aber wisset dies.“ Für einen Moment starrte er hoch in ihr Lehmgesicht mit einem hartem Blick. „Ein Fremder in einem dunklen Umhang kam vor euch hierher. Er erzählte uns Geschichten davon, dass ihr Blut trinkt und Kinder stehlt. Ich werde nicht beurteilen, ob diese Geschichten wahr oder falsch sind… aber ihr müsste eure Gebräuche ändern, wenn ihr hier leben wollt. Die Natur ist manchmal eine strenge Herrin und ihr müsst lernen, euer Leben nach ihren Rhythmen und Stimmungen zu leben.“

„Ich glaube, dass ihr die Wahrheit sprecht. Beurteilt die Brennofengeborenen nicht auf der Grundlage von Gerüchten, die ihr gehört habt. Wir werden unser Bestes tun, um eure Gebräuche zu lernen und mit der Natur zu leben, so wie er es sagt.“

Und so ließen sich die Golems auf der Wiese im tiefem Wald nieder. Das Volk blickte sie merkwürdig an, aber sie waren kaum das Eigenartigste in den Wäldern der Tuatha Dé Danann. Sie sammelten Stämme von gefallenen Bäumen und bogen sie. Sie spannten sie gegen die großen Säulen aus Holz und webten sie zu Häusern im Wald. Die kleine Siedlung wuchs und die Großen Beschützer wuchsen groß und stark. Sie spreizten ihre magischen Äste hoch über den Waldbewohnern.

Obwohl die Tuatha den Golems erlaubten, in ihrem Wald zu leben, schien es, als ob sie sich nie ganz wohl damit fühlten. Die feurigen Riesen lebten für sich in einer Ecke der Wiese und mischten sich nur selten unter ihre Gastgeber.

Die Eiche wuchs und wuchs, ihre Magie verstärkt durch die Kreaturen, die unter ihr lebten. Bald gruben sich die Wurzeln des gewaltigen Baumes dort in die Erde, wo die Tuatha ihre Häuser gewebt hatten. Sie war zu mächtig für sie, um mit ihr zu arbeiten, es war ihnen unmöglich, die ungeheuer großen Wurzeln nach ihrem Willen zu formen. Es erforderte die Stärke und das Wissen der Golems, um mit der magischen Eiche zu arbeiten.

Die Tuatha teilten etwas von ihrem Wissen mit den Golems, doch es war nicht immer einfach, die Stimmlosen den Willen des Waldes hören zu lassen. Der Tuatha-Prinz sandte bald die Golems aus, um mehr und mehr gefallene Baumstämme zu finden, um damit ihr Waldschloss zu bauen. Es war ein stolzes Bauwerk, gewebt aus mächtigen Bäumen, die ihre letzten Tage gesehen hatten und durch großes Geschick zusammengehalten wurden. Er ignorierte das Flüstern und die Gerüchte, die gegen sie sprachen.

Die Tage des Sommers waren lang und golden. Die Golems traten ihre Arbeit mit einem Leistungswillen an, der sie auf der Suche nach Material tiefer und tiefer in die Wälder trieb. Sie schlugen diesen Weg des Lebens ganz natürlich ein und sie fühlten sich mehr und mehr im Einklang mit dem Wald, doch die Tuatha schienen anders darüber zu denken. Sie versuchten ständig den Golems klar zu machen, wie tief ihre Verbindung ging, als ob die Bäume selbst durch ihre Wurzeln und Blätter sprechen könnten.

Eines Tages geschah ein schrecklicher Unfall. Einige Golems arbeiteten zusammen unter der Anleitung von Maharal, aber sie war erschöpft und war gezwungen zur Lichtung zurückzukehren, um zu ruhen. Ohne ihre Wissen sie anzuleiten, arbeiteten die Golems und bliesen vor Frustration Rauch heraus, im Versuch einen enormen Baumstamm zu entfernen, der abgestorben war, aber keinen Platz zum fallen hatte und sich deshalb zwischen lebenden Bäumen verklemmte. Im Verlauf ihres Anhebens und Drückens der Bäume, bemerkte keiner von ihnen, dass sich eine der Ranken, die um den großen Baumstamm gewunden waren, gelöst hatte und riss.

Als der Stamm stöhnte und sich stark unter seinem eigenen Gewicht neigte, war es zu spät. Die anderen Golems drängten aus dem Weg, aber einer war gefangen in einem Durcheinander von verwirrten Ranken. Er schaute hilflos zu, wie der große Stamm herunter kam, beinahe langsam, und ihn donnernd zerquetschte. Seine Flamme war augenblicklich aus.

Es war der erste Tod unter den Brennofengeborenen seit ihrer Flucht. Sie begruben seinen Lehm unter den Wurzeln des Großen Beschützers, während die Tuatha Dé Danann undurchschaubar zuschauten. Die Stimmlosen trauerten leise und sprachen die Worte, die Maharal ihnen nannte.

Sie waren danach vorsichtiger, aber die Tuatha mieden die Golems noch mehr. Sie schienen argwöhnisch, besorgt über etwas, das sie nicht sagen wollten. Das Jahr ging weiter, bis der Herbst den Wald erreichte und die Blätter in hellere Farben verwandelte.

Es war an einem grauen Tag, als Yosef zufällig zwei Tuatha beim rauchen und reden hörte, während Herbstlaub um sie herumwirbelten.

„Der Herbst ist hier und dem Großen Beschützer geht es schlecht.“

„Ich denke, der Baum ist am sterben! Die Blätter glühen nicht in der Art, wie sie es sonst immer taten.“

„Vielleicht hatte der verhüllte Fremde mit den Geschichten Recht… vielleicht ging es dem Großem Beschützer schlechter seit ihrer Ankunft.“

„Seitdem diese Kreaturen mit Feuerherzen ihren… Toten darunter begraben haben.“

“Es geht das Gerücht herum, dass sie eine Art dunkle Kreation der Sprecher der Lügen seien.“

„Jemand erzählte mir, dass diese Golems immer auf der Suche nach einem Weg sind, ihre Lebenskraft zu erhöhen. Sie wollen unsterblich sein, so wie wir.“

„Und warum sind sie nicht wie wir? Das ist es, was du dich fragen musst.“

„Ja. Vielleicht entziehen sie dem Großem Beschützer sein Leben und versuchen sich selbst dadurch zu stärken?“

„Ich möchte sie nicht falsch verurteilen. Aber es ergibt Sinn.“

„Das ist die wahre Gefahr. Wir können ihren Ärger nicht riskieren, dafür sind sie zu mächtig. Doch wir können auch nicht einfach Tatenlos zusehen, falls sie dem Wald schaden.“

„Das wäre das größte Verbrechen von allen. Die übelste Tat, die ich mir vorstellen kann.“

„Lass uns hoffen, dass diese Geschichten nicht wahr sind.“

Yosef rannte zu Maharal, die gerade eine Pause machte, da sie eine große Hüte webte. Sie begann zu seufzen, aber dann ergriffen sie die Tränen, die auf ihrem heißen Gesicht verdampften. Es schien keine Ruhe für die Brennofengeborenen zu geben.

Es war die nächste Nacht, als der Prinz der Tuatha zu ihr in die gewebte Hütte kam und angstlos unter die Äste schlüpfte. Sein Lächeln war dunkel und bedeutungsvoll.

„Es tut mir Leid, Maharal. Dinge ändern sich. Die Jahreszeiten wechseln und es gibt für alles ein Ende.“

Maharal richtete sich soweit auf, wie es unter dem Dach, das sie mit ihren eigenen Händen gewebt hatte, ging. „Wieso?“

„Komm nach draußen und sieh.“

Sie trat mit ihm ins Zwielicht hinaus, das durch die Wolken über ihnen entstand. Der Wald formte eine undurchdringliche Wand aus Dunkelheit um die Weide, wo sie lebten. Normalerweise würde die violette Energie der Großen Beschützer die Lichtung erhellen, aber etwas war falsch. Der große Baum ließ die Zweige hängen, seine Blätter fielen herab und trieben in den Nebel. Das Licht in seinen Adern verblasste, als ob er sehr krank wäre.

„Das ist eine Tragödie. Ihr mögt das nicht verstehen, aber ich sage euch, dass ist die schlimmste Katastrophe die sich ein Tuatha vorstellen kann. Ich glaube selbst nicht daran, aber es gehen Geschichte umher, wahr oder falsch, die sagen, dass man euch nicht vertrauen kann und dass ihr die Unsterblichkeit sucht, die euch die Sprecher der Lügen verwehrt haben. Sie sagen, dass ihr das Geschenk des Lebens nicht ohne Grund nicht bekommen habt und alles tun werdet, um es wiederzuerlangen. Ich verstehe diesen Wunsch; aber unser Großer Beschützer kann dafür nicht den Preis bezahlen!“

„Du lügst offensichtlich. Du glaubst selbst an diese Gerüchte oder du würdest uns nicht davonjagen.“ Maharal lehnte sich an eine große Wurzel, wo sie aus dem Boden stieß. „Aber wenn du den Lügen dieses dunkel verhüllten Fremden glaubst, von dem ich immer höre, dann werden wir gehen, wenn wir keine andere Wahl haben. Wir sind zuvor gewandert und wir können wieder wandern. Ich hatte gehofft, dass wir hier von eurer Weisheit lernen und ein Teil des Waldes werden können. Aber das ist nicht passiert.“

Das Lächeln des Tuatha verblasste, als er den Kopf schüttelte. „Nein, ist es nicht. In gewisser Weise tut es mir Leid, euch gehen zu sehen; eure Arte hat großes Potential für Weisheit. Aber wir können das Risiko nicht eingehen.“

In dieser Nacht hört man die Geräusche von Graben über die dunkle Lichtung hallen. Am Morgen überreichten die Tuatha den Golems einen Haufen von Lehm, befleckt und schmutzig. In dem Haufen waren Lehmknochen, schon längst dabei zu zerfallen. Einige der Golems weinten um ihre Häuser im Wald, die sie zurückließen, andere flüsterten sanft und traurig, sie wiederholten die fröhlichen Lieder von Freiheit, die bei ihrer Befreiung geschrieben worden waren. Aber sie gingen hinfort in den Wald und von jedem Blatt und jeder Wurzel aus beobachteten sie Augen. Der Wald trieb sie an mit Schreien und Geräuschen von Kreaturen, die in seinem Inneren versteckt waren.

Es dauert einige Zeit den Wald zu verlassen. Als sie das Grün schließlich hinter sich gelassen hatten, fanden sie sich in einem rauen Land wieder. Es war öde und trocken, mit Staub, der von rauen Winden umher geblasen wurde. Maharal führte sie weiter hinaus aus den Reichen, sie ließen die bewohnbaren Länder hinter sich, wo keine wohlwollenden Städte sie willkommen hießen. Die Golems brachen auf in die Sturmlande.

Die Brennofengeborenen wanderten durch die Sturmlande und trugen die Überreste ihres Toten. Draußen im Ödland heulte der Wind und zerrte an ihnen, er jagte über die Grate aus Stein und die staubigen Ebenen. Große Risse in der Erde kreuzten ihren Pfad und die Sonne brannte gnadenlos auf sie herab, wenn sie nicht durch Wolken verdeckt war.

Die Sturmlande wurden ihrem Namen gerecht und wurden ständig durch Veilstürme auseinandergerissen. Das Land selbst war in Fetzen gerissen vom Wind und der Magie, die töricht in die Leere des Himmels schrie. Dort gab es nirgendwo Leben und nichts konnte hier je für lange überleben.

Dennoch wanderten die Golems weiter, den Kopf nach unten gerichtet, vorwärts getrieben durch die verzweifelte Entschlossenheit, einen Platz zu finden, den sie ihr Eigen nennen könnten.

Es dauerte eine lange Zeit, ehe sie ihn fanden: ein kleiner Schlupfwinkel zwischen zwei Bergen, umrundet von Rissen in der Erde, aber er selbst war glatt, vom Wind gepeitscht, aber von der stärksten Magie abgeschirmt, die vom brennenden Himmel herabregnete. Dort sammelten sie sich und fragten sich, was sie tun würden.

Dinah trat vor auf die glatte Fläche und schaute sich um, während der Wind den Rauch aus ihrem Mund peitschte. Sie schmolz vor ihren Gefährten und formte eine hohe und breite Mauer. Es war der Anfang eines Unterschlupfes. Als andere Golems ihrem Beispiel folgten, formten sie ein kleines Dorf in dem die anderen leben konnten und Platz, um ihr Leben in Sicherheit zu verbringen. Einige der Golems holten kleine Setzlinge hervor, die sie aus dem Wald mitgenommen hatten und pflanzten sie im Schutz der Wände, die aus ihren Gefährten gemacht waren.

So begann ihre mühselige Existenz. Egal wie der Wind wehte oder die Stürme wüteten, der Unterschlupf hielt stand und beschütze die Ernte, auf die sie angewiesen waren, um zu überleben. Es war ein Leben.
Und irgendwie schafften es die Golems zu gedeihen. Ihr Wissen wuchs und auch ihr Selbstvertrauen, während sie einander die Geschichte ihres Lebens erzählten und Maharal brachte ihnen die Wörter bei, die sie erschaffen hatten. Sie zogen die Tafeln aus Lehm hervor, die sie den ganzen Weg von den Ruinen der Stadt der Sprecher der Lügen mitgenommen hatten und lernten die Magie, die dort geschrieben stand. Sie wiederholten ihre Namen untereinander immer und immer wieder, gerade laut genug, um über durch das Geheul der Stürme über ihnen gehört zu werden. Sie schrieben die Wörter der Macht auf einander, entdeckten neue Methoden und Quellen der Kraft, die ihnen halfen zu überleben, selbst hier in den Sturmlanden.

Nach einiger Zeit realisierten die Golems, dass sie eine gute Wahl getroffen hatten. Etwas an diesem Ort war anders. Er verschob sich nicht oder wurde hin- und hergezogen, wie die Erde, die von den Stürmen rundherum auseinandergerissen wurde, selbst die Berge verschoben sich an eine neue Position. Hier gab es Stabilität, eine Ruhe geschützt vom Himmel selbst.

So lebten sie für ein komplettes Jahr und erzählten sich ihre Geschichten immer und immer wieder, ehe Maharal ihren ersten Brennofen baute. Sie formte ihn aus Steinen und Lehm aus der von Magie zerfetzten Erde der Sturmlande, ein großes rundliches Gebäude, unförmig aber ohne Zweifel stabil. Sie formte eine Gestalt, um sie hineinzustellen, einen Golem in Kindergröße. Es war nur lebloser Lehm; dies war nicht der Kiln von Ur, noch gab es hilflose Sklaven, die für ihr Leben geopfert werden konnten. Sie hatte nur ihren eigenen Lehm und ihre große Weisheit.

Während die Stürme draußen tobten, entzündete sie mit ihrem eigenen Atem ein Feuer im Kiln. Sie nahm von ihrem eigenem Lehm und formte einen Kopf für die Gestalt. Yosef nahm ebenfalls von seinem Lehm und formte das feurige Herz. Dann schrieben sie Wahrheit auf den Kopf des leblosen Kindes und versiegelten den Brennofen. Während der Sturm heulte, wachte das Paar über den Brennofen, dessen Feuer heißer und heißer brannte.
Und so wurde das erste Kind eines Golems im Ödland geboren, geliebt von seinem Volk, aber abgelehnt von der Welt. Erschaffen durch den Lehm seiner Eltern und zum Leben erweckt durch Feuer, anstatt durch Dunkelheit und verdrehte Magie, war das Kind gesegnet mit dem Geschenk des Lebens: Er war unsterblich.

Vielleicht war es die mysteriöse stabilisierende Magie, die andere in die Sturmlande hinausrief, auf der Suche nach neuen Abenteuern und nach Hoffnung. Eine Streitmacht von hundert Reitern, mit hochgezogenen Mänteln gegen den staubigen Wind, ritt aus der Ödnis heraus. Sie trugen einfache Mäntel, die nur wenig Schutz gegen die Stürme boten, aber sie führten glänzende Waffen feinster Handwerkskunst. Als sie sich der Siedlung näherten, blitzten die Juwelen auf ihrer Stirn in dem wenigen Licht auf, das durch die Staubwolken drang.

Die Sturmreiter zogen an den Zügeln ihrer Pferde, betraten das Dorf aus Lehm und schauten sich überrascht um. Die windumtosten Straßen waren leer, aber hier und da lagen steinerne Stühle umher, als ob sie nur einen Moment vorher verlassen worden waren. Hier gab es Obstgärten, umrundet von hohen Mauern und dicken Toren, hier in den Sturmlanden, wo beinahe nichts außer Dornenbüschen wuchs.

Es erschien verlassen, wenn auch erst kürzlich. Aus der Menge der Sturmreiter ritt ein einzelner Mann voraus. Er hatte ein nobles Aussehen und trug etwas unter seiner Kapuze. Aus der dunklen Vertiefung blitzten helle Augen intelligent auf.

Er rief in einer kraftvollen Stimme, die durch das leere Dorf schallte. „Wer lebt hier, in den verlassenen Sturmlanden? Ich möchte mit euch sprechen, da die Magie, mit der euer Dorf gebaut wurde, großartig und wundersam sein muss, um die Zerstörung zu überstehen, die die Stürme bringen.“

Maharal formte sich selbst aus der großen Lehmmauer, die er für echt gehalten hatte. Feierlich trat sie vor, um zu sprechen, ihr Kopf auf einer Höhe mit dem berittenen Mann. Sein Pferd starrte auf den Rauch und die Flammen, die aus ihrem Mund bliesen, aber es hielt seine Stellung mit Entschlossenheit. „Wir sind die Brennofengeborenen und wir grüßen euch, oh König.“

Der Mann lachte und warf seine Kapuze zurück, um die dornige Krone auf seiner Stirn zu enthüllen. „Die Golems? Ich verstehe. Und was macht ihr hier draußen, im Land der ewigen Stürme?“

„Wir sind aus reiner Notwendigkeit hierhergekommen. Da wir von Lügen verfolgt werden, nimmt uns niemand auf und so kamen wir an den Ort, den niemand anderes wollte. Wir leben, obgleich es nicht nach viel aussieht.“

„Nein, sieht es nicht.“ Der Mann schaute umher. „Und doch sehe ich große Fertigkeit in euren Bauwerken. Ihr habt Talent. Ist es wahr, was einige erzählen, dass ihr Blut in eurer kreativen Arbeit benutzen müsst, das ihr Kinder stehlt, um ihr Leben zu nehmen und es euch selbst zu geben?“

Maharal starrte mit ihrer Glut in seine Augen. „Nein, das ist nicht wahr.“

Der Mann nickte langsam. „Ich glaube euch.“

Ehe Maharal darauf antworten konnte, erschütterte ein Donnerschlag die Erde. Das war nicht unüblich. Doch etwas war anders. Der Klang kam nicht aus dem wütendem Himmel, sondern von unten. Als einige andere Golems aus den Verstecken kamen, erklang ein weiteres Geräusch, aus der großen Schlucht, dem Riss in der Erde, der auf einer Seite des Dorfes lag, das klang, als würde die Welt zerrissen werden. Ein große Nebelwolke schoss aus ihr hervor, voll grün leuchtender Bruchstücke.

Schatten bewegten sich in der Nebelwolke, sich bewegende Gestalten, die aus dem Boden aufgestiegen waren. Sie waren Wesen wie Menschen, aber eingehüllt in wabernde Dunkelheit.

Maharal schnappte nach Luft. „Es sind die Sprecher der Lügen!“

Ihre alten Meister kamen in einem Ansturm der Stille aus dem Boden heraus, eine umhüllende Leblosigkeit breitete rasend sich über die Erde und ängstigte die Pferde. In der Mitte von ihnen ragte eine einzelne Gestalt heraus, eingehüllt in einem dunklen Umhang. Obwohl verhüllt durch Illusionen, wies etwas in seinem Verhalten auf eine grausige Vergnügtheit schließen, die Maharal vertraut war. Es war der Aufseher, neugeformt und verkleidet, sodass er Lügen in den Reichen über die Golems verbreiten konnte. Er begrüßte die Sturmreiter und ihren Anführer mit einem gestenreichen Gruß.

Sie umstellten das kleine Dorf und dunkle Waffen blitzten auf, als einige Sturmreiter schlagartig überwältigt wurden, auf den Boden gezogen, von nahezu unsichtbaren Feinden, ehe sie reagieren konnten. „Zu den Waffen! Zu den Waffen! Wir wurden verraten!“ Schrie der König und zog sein Schwert, das wie die Sonne in der Dunkelheit schien. Er drehte sein Pferd herum und rief seine Sturmreiter zu sich. Er starrte die Golems zornig an, die enttäuscht zurückblickten.

So schnell die Sturmreiter auch zur Verteidigung gesammelt waren, es war nicht genug. Die verdunkelten Gestalten kamen in allen Richtungen aus der Erde, schwangen ihre grausamen Waffen und durchbrachen den Kern der Verteidigung der Sturmreiter. Gelächter drang aus ihren dichten Reihen, als der tödliche Kampf begann.

In diesem Moment hatten die Golems eine Entscheidung zu fällen. Sie hatten eine gute Gelegenheit zu entkommen, während ihre Feinde im Kampf abgelenkt waren. Es wäre einfach gewesen, sich in die Sturmlande davonzustehlen, da sie gelernt hatten, dort zu überleben, und in den Staubverwehungen zu verschwinden, dorthin, wo es unmöglich wäre, sie wiederzufinden oder zu versklaven. Aber sie trafen eine andere Wahl, eine Wahl, die ihr Leben und ihre Identität für immer verändern würde.

Stattdessen traten die Golems vor und umringten die Sturmreiter. In flüssigen Bewegungen, als ob sie die Manöver geübt hätten, formten sie sich zu Mauern und dann zu Befestigungen. Das Dorf löste sich um sie herum auf, als sie immer mächtigere und höhere Verteidigungsanlagen aus sich selbst und aus Stücken von Mauerwerk bauten. Die dunklen Streitkräfte an ihrem Fuße hielten für einen Moment überrascht inne und suchten nach einem Weg hinein oder nach einer Schwachstelle in der nahtlosen Festungsmauer.

Der königliche Anführer zögerte nur kurz. Er wusste um den Wert der Atempause, die die Golems ihnen gegeben hatten. Er befahl den Sturmreitern mit Nachdruck, von den Pferden abzusitzen und die Wehrgänge zu bemannen. Sie gingen die Aufgabe an, zogen ihre Waffen und bemannten die Mauern in Sekundenschnelle.

Der ernsthafte Kampf begann. Pfeile flogen umher und Magie knisterte, während die Streitkräfte erbittert kämpften. Es wurde Blut vergossen, als die Sturmreiter energisch mächtige Schläge verteilten. Der König selbst bahnte sich einen Weg durch das Schlachtgetümmel und zerteilte die Schatten mit seinem Schwert, das schien, als wäre es aus einem Sonnenstrahl geschmiedet. Blut wurde vergossen und entsetzliche Visionen flammten vor den Augen der Sturmreiter auf, aber sie kämpften weiter und nutzten die Verteidigungen der Festung mit großer Kunst und Entschlossenheit.

Jeder Sprecher der Lügen, der getroffen wurde, brach in eine Pfütze aus Dunkelheit zusammen, der brodelte und kochte, sie sickerten zurück in den ausgedörrten Boden, aus dem sie hervorgekommen waren. Ihre Schwerter lösten sich in Rauch auf, zerschmettert und verweht durch die Winde des Sturmes, der an Intensität zunahm.

Die hohen Mauern drehten den Verlauf der Schlacht und in den Sturmreiter wuchs die Zuversicht, während sie die Reihen der schattenhaften Gestalten sprengten.

Der Sturm über ihnen kam zur Ruhe, als ob er Atem holen würde. Ein Lichtstrahl drang herab und enthüllte ein Schlachtfeld, das übersät war mit Pfützen aus Schatten, die eilig zurück in den Erdboden schmolzen, und gekrümmten, scharfen Waffe, die stumpf schimmerten, wo sie fallen gelassen wurden. Die verhüllte Illusion des Aufsehers wurde schwächer und schmolz dahin. Sein höhnisches Grinsen verwandelte sich in Angst, als eine Macht im Boden ihn hinunterzog, hoffentlich für alle Zeiten.

Jubel erhob sich und erfüllte die vom Sturm zerrissene Landschaft. Die Sturmreiter schrien ihren Sieg in den Himmel hinauf. Der König erhob sein Schwert und schüttelte das schwarze Blut davon ab. „Gut gemacht!“
Die Mauern bewegten sich und brennende Augen erschienen. Dann schmolzen sie langsam und legten die Sturmreiter zusammen mit ihren Pferden auf dem Boden ab.

Maharal richtete sich auf und klopfte den Staub von ihrem Lehmkörper. „Wieder einmal haben wir überlebt.“ Sie beäugte sie für einen Moment und fragte sich, was als nächstes passieren würde. „Danke, große Krieger.“

Der König näherte sich ihr und verbeugte sich. „Danke für eure Unterstützung. Wir wären sofort überwältigt worden, wenn da nicht eure Geistesgegenwärtigkeit und eure magische Verteidigung gewesen wäre. Erlaubt mir, mich vom tiefsten Grunde meines Herzens zu entschuldigen, dass ich euch beschuldigt habe, uns verraten zu haben. Ich sah die Art, wie einer von ihnen euch grüßte und ich dachte…“

Maharal nickte langsam. „Sie werden nicht umsonst die Sprecher der Lügen genannt. Ihre Lügen und Manipulationen sind uns gefolgt, seitdem wir ihrer Unterdrückung entkommen sind, und wiegelten alle gegen uns auf. Und wir danken auch euch für eure Hilfe. Diese Kreaturen kannten uns und hätten viele der Brennofengeborenen ohne zu zögern niedergemetzelt.“

Der König richtete die dornige Krone auf seinem Kopf, die mit Blut bespritzt war. „Nun der Stabilisator, auf dessen Suche wir hierherkamen, wird eindeutig von einer noblen Rasse von Kreaturen beansprucht. Ich werde nicht länger euer Wohlwollen in Anspruch nehmen. Wir müssen in mein Reich zurückkehren und unsere Verwundeten behandeln, deswegen verlassen wir euch.“ Er drehte sich, ehe sie antworten konnte und rief. „Setzt auf! Bindet die Gefallenen auf ihre Sattel! Wir müssen die Sturmlande durchqueren, so lange wir noch können!“

Die Golems betrachteten die Sturmreiter, als sie schnell Vorbereitungen trafen, um los zureiten: Schnallen, Riemen, alle Waffen verstaut und die Pferde schnell abgerieben.

Schließlich trat Maharal vor. „Wartet, oh König.“

Der Mann drehte sein Pferd und trottete zu ihr herüber, seine Augen auf einer Höhe mit ihren. „Ja?“

„Ich weiß wer ihr seid. König Artus, Herrscher des einzigen Reiches, in das wir nicht gewandert sind.“

„Und warum nicht?“

„Da Gerüchte verbreitet wurden, Gerüchte die ihr bereits gehört habt und weil die Leute wissen, dass wir aus der Sklaverei ausgebrochen sind und wir unseren Platz nicht kennen. Und weil wir immer noch auf der Flucht vor den Sprechern der Lügen und ihren giftigen Worten waren. Aber jetzt habt ihr die Wahrheit gesehen.“

„Ich verstehe.“ Für einen langen Moment starrte er in ihre brennenden Augen. Dann lächelte er. „Es ist meine Ehre und mein Vergnügen euch einzuladen, euch meinem Reich anzuschließen, Maharal von den Golems. Es steht allen Brennofengeborenen frei, sich ihren Platz in meinem Reich zu suchen.“

Weiterer Jubel erhob sich von den Sturmreitern; sie stimmten aus vollem Herzen zu.

Und so kamen die Brennofengeborenen in die grünen Hügeln, die saftigen Ebenen und die sanften Berge in Artus’ Königreich.

Als der Golem zum Ende kam, war es schlagartig still in dem Haus aus Lehmziegeln. Das Kratzen der Feder des Historikers endete und er lehnte sich zurück auf die gestapelten Kissen, die um den Tisch herumlagen. Für einen Moment war es ein Haus der Meditation.

Dann kam von draußen ein Krachen und das Gelächter der Golemkinder, und der Zauber war gebrochen. Der Historiker seufzte schwer und begann sein Tintenfass, seine leeren Bücher, seine Feder und sein Federmesser aufzuräumen. „Eine exzellente Geschichte und ein beispielloser Vortrag, Meister Yosef. Ich danke euch dafür, sogar noch mehr, als für eure Gastfreundlichkeit.“

Der Golem blinzelte mit seinen Glutaugen und nickte. „Ich bin glücklich, dass es auf Papier niedergeschrieben, sowie in Lehm gepresst wird. Es ist gut, dass einige der Leute an Artus’ Hof es lesen werden.“

Der Historiker grinste, als er seine Sachen in den Rucksack packte. „Ja. Und ich danke euch noch einmal.“

„Meine Kinder werden bald erschöpft sein, so wie sie draußen spielen. Werdet ihr noch über Nacht bei uns bleiben? Ihr wäret willkommen.“

„Habt Dank für das Angebot! Ich muss Hüter des Herdfeuers zu euren Titeln hinzufügen. Aber ich fürchte, ich muss euch verlassen. Ich bin sicher, die Aufregung eines Fremdem wie mir, würde sie länger wach halten.“ Der Mann seufzte, als er aufstand, während der Golem lächelte und nickte.

Yosef fügte mit einem klirrendem Glucksen hinzu: „Fremder, ihr habt mir nie euren Namen genannt.“

Den Rucksack schulternd lachte der Mann zurück, während er sich auf den Weg zur Tür machte. „Nicht jeder benutzt seine wahren Namen überall wohin er geht, mein Freund. Am Hof nennen sie mich beim gleichen Namen, wie den kleinen Falken, der über dem Stillen Tor nistet. Besucht mich einmal, Freund Yosef; ich hätte gerne eines Tages die Unterstützung durch die Fähigkeiten eures Volkes bei etwas Wichtigem, das ich baue. Bis dahin, Lebt wohl!“

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