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Die Banshees

Es gab einmal die Redensart „Was uns nicht umbringt, macht uns härter.“. Jetzt, nach den Veilstürmen, sagt der Volksmund stattdessen „Was uns nicht umbringt, verändert uns…“.

In jener Zeit, in der der Veil durchstoßen wurde, gab es eine Tänzerin namens Badhbh. Sie wohnte in einem kleinen Dorf in den Ausläufern des großen Waldes, und sie wurde für ihr Können sehr verehrt. Sie genierte sich ob all der Aufmerksamkeit; Badhbh liebte es einfach nur zu tanzen. Trotzdem reiste sie für Auftritte in die großen Städte, und oft folgten ihr die jungen Männer des Dorfes. Sie pflegten zu sagen, dass ihr Tanz der Tanz des Mondes und der Sterne am Nachthimmel sei, leicht wie der Fall eines rostroten Blattes im Herbst, immer verführerisch und faszinierend. Männer schauten auf sie mit innigem Verlangen. Frauen wollten wie sie sein. Mengen jubilierten und fielen übereinander wenn sie zur Bühne hetzten, was sehr zu Badhbhs Unbehagen war.

Sie reiste zusammen mit einem Trommler und einem Sänger, die die Musik für ihre Tänze machten. Crimthann, der Trommler, war jung und verheiratet, der Sänger jedoch war etwas älter, und betrachtete sie mit wissenden Augen. Sein Name war Donn.

Eines Sommers, als starke Winde über das Land fegten, reisten sie gemeinsam in die Stadt um ihren jährlichen Auftritt zu spielen. Die Leute hielten inne, winkten und lächelten, wo immer ihr Wagen vorbeifuhr, und mehr als nur ein paar Landarbeiter liefen neben ihnen her, hoffend, ein Lächeln von Badhbh zu erhaschen. Donn sang ab und zu, aber obwohl seine Stimme voll und kräftig war, war alles was sie wollten Badhbh und ihren Tanz.

In der überfüllten, geschäftigen Stadt angekommen, bereiteten sie sich auf einen weiteren vollbesetzten Auftritt im Freilufttheater vor, welches noch mit den unzähligen Fahnen und Bändern des Mitsommerfestes geschmückt war.

Jene Nacht war warm. Unten in der Menschenmasse, welche die Köpfe in Richtung der, von Lampen erleuchteten, Bühne reckte, musste die Hitze erdrückend sein. Doch dort oben, wo Badhbh und ihre Gefährten standen, wehte eine sanfte Sommerbrise. Donn warf ihr seinen Mantel über, während sie darauf warteten, dass die Menge sich hinsetzte. Als sie bereit war, faltete Badhbh diesen mit einem, nur für ihn bestimmten, Lächeln über ein Geländer.

Dann fing Crimthann an, seinen ersten Bodhrán zu trommeln, und ein Tuch aus Schweigen legte sich über die Menge. Donn stimmte sein Lied an, und dessen pulsierende, antreibende Stimmung schien an Badhbh zu ziehen und sie von Geisterhand zu bewegen. Die Menschen starrten in Ehrfurcht.

Eine wilde, magische Laune überkam sie, und ihr Tanz wurde energischer. In der sternhellen Nacht ergriff etwas von ihr Besitz, und Donns Song begann schneller zu werden. Der Rhythmus erfüllte sie, und sie bewegte sich mit stärkerer Bestimmung als je zuvor. Ihr Tanz war atemberaubend, und sie wusste es. Sie konnte die Blicke spüren, und das Gewicht der starren Blicke bewegte sie vor und zurück.

Der Mantel begann im stärker werdenden Wind zu flattern, synchron mit ihren stampfenden Füßen, die sich wie von selbst bewegten. Donn hatte immer gesagt, dass sie perfekte, wohlgeformte Füße hatte.

Plötzlich blies der Wind den Mantel auf eine Ecke der Bühne. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen, doch in dieser warmen Sommernacht nahm Badhbh, ob der Wildheit ihres Tanzes, die ganze Bühne ein. Ihre Füße landeten auf dem weichen Mantel, verfingen sich, und sie krachte auf den Boden. Crimthann hörte auf zu trommeln, obwohl Donns feste Stimme mit dem Lied fortfuhr.

Der Zauber war gebrochen. Männer schauten sich gegenseitig an und blinzelten im gelben Lampenschein.

In einer Kakophonie aus Lauten stürzten sie zur Bühne und streckten ihre Hände aus um nach ihr zu greifen. Wie ein unheilvoller Wald waren die Finger im dämmrigen Licht, geifernd, ein Stück von dem Moment an sich reißen wollend, oder ein Stück jener Frau, die sie hingerissen hatte. Badhbh begann zu schreien, als die übereifrigen Anhänger nach ihr schnappten.

Dann versperrte Donn ihnen den Weg, trieb die Masse zurück, und rief ihr zu Badhbh in Frieden zu lassen. Mit unerwarteter Rage um sich schlagend, zog der Sänger sie fort und hinter die Bühne. Der Lärm von stampfenden Füßen und Fäusten ließ die hölzernen Wände des Theaters erbeben, als er sie durch den Hintereingang schleifte.

Der entstandene Aufstand breitete sich bereits in die Straßen aus. Donn benutzte Seitenstraßen und verwinkelte Gassen, um sie zu dem Wagen zu bringen, welcher sie heil aus der Stadt heraustransportieren und nach Hause bringen würde. „Niemand sollte es auch nur wagen dich anzufassen!“ knurrte er. Aus irgendeinem Grund konnte Badhbh nicht aufhören zu schluchzen.

Ihr Bodhrán-Spieler, Crimthann, war verschwunden, aber da er sein Pferd im Stall hinter der Taverne gelassen hatte, ging es ihm vermutlich gut.

Donn wusste, wann Schweigen angebracht war. Sie schaukelte leise auf dem Kutschbock vor sich hin. Die Luft der warmen Sommernacht strich kühl über ihre Wange, als der Wagen langsam vor sich hin rollte, und die Tränen ihre Nase und Wangen übergossen.

„Lass mich dich nur in Sicherheit bringen“, sagte Donn, und zog sie mit der freien Hand an sich heran, während er mit der anderen fest die Zügel hielt. Das Pferd trottete dahin, zufrieden damit, sie zu der Taverne auf halbem Weg zwischen dem Dorf und der Stadt zu ziehen, wo ein Mahl aus Hafer wartete.

„Du hast mir das Leben gerettet“, sagte sie ihm, tief in seine Augen schauend „und das werde ich dir nie vergessen.“

Donn lächelte sein verschmitztes Lächeln, welches sie so liebte. „Ich bin froh, dass es dir gut geht. Ich hätte mir nie verziehen wenn dir etwas zugestoßen wäre.“

„Danke.“ Badhbh legte ihren Kopf auf seine Schulter.

Donn räusperte sich. „Badhbh…..Ich muss dich etwas fragen.“

Seine sonst so tiefe, melodiöse Stimme klang ungewohnt zögerlich, und Badhbh schaute zu ihm auf. „Ja?“

„Na ja… vielleicht könnte ich dich besser beschützen wenn…. Du mich heiraten würdest, Badhbh?“

Sie lachte, und presste ihr Gesicht wieder fest an seine Schulter. „Das würde ich tatsächlich tun, Donn, wenn du mich nur fragen würdest.“

Donn holte tief Luft. Als Antwort sang er eine uralte Melodie, ein Lied, welches genau die Frage formulierte, welche Badhbh hören wollte.

Es dauerte nicht lang, bis sie in einer blumenreichen Waldzeremonie verheiratet wurden. Zusammen tanzten sie die ganze Nacht. Crimthann, seine Frau, seine Schwester Mongfhoinn, und viele weitere Freunde tanzten, und spielten mit ihnen zusammen Musik, und alle lachten und tranken auf die Gesundheit des frisch vermählten Paares.

Donn, die Blumen aus seinem gerade zu grauen beginnenden Haar schüttelnd, bat Badhbh ihm zu versprechen, dass sie von jetzt an nur noch Augen für ihn habe, dass er ihre eine wahre Liebe sei, und dass sie nie die Annäherungsversuche anderer Männer beachte. Lächelnd gab Badhbh ihm das Versprechen, niemals in Versuchung zu geraten. Sie war für ihn allein.

Die frisch Vermählten ließen sich, als erklärte auf ewig Liebende, in einem neuen Haus im Dorf nieder.

Es begann mit den kleinen Dingen. Ein Wort das fiel, ein heruntergeschluckter Spruch, dann ein Murmeln, dass sie letztlich sehr viel Zeit mit Crimthann oder anderen verbringe. Dann eskalierte die Situation in verärgerten Blicken, liegengelassener Arbeit und ständig beobachtenden Augen. Forderungen nach mehr gemeinsamer Zeit wurden laut.

Dann wurden die Dinge wahrlich mürrisch. Aus keinem ersichtlichen Grund hörte Donn auf ihr zu vertrauen. Sie durfte nicht mehr allein ausgehen, nicht einmal auf den Markt. Er begann, mit ihr über die Auftritte zu streiten und bestand darauf, dass der Fokus mehr auf seinem Gesang läge. „Sieh uns jetzt an“, sagte er, während er ihr durchs Haar fuhr und das verschmitzte Lächeln lächelte, welches sie so geliebt hatte, „es gibt nichts mehr, vor dem du dich fürchten müsstest.“.

Aber das sollte sich als unwahr herausstellen. Ihre Streitereien eskalierten in körperliche Gewalt. Ihre Freundin Mongfhionn bemerkte, dass Badhbh mehr und mehr Schminke auftrug, und brachte dies, an einer der seltenen Gelegenheiten an denen die Tänzerin eine Auseinandersetzung gewonnen hatte und Donn sie nicht zwingen konnte im Haus zu bleiben, zur Sprache. Ihre laut ausgetragenen Streitigkeiten waren genauso bekannt geworden wie ihr Tanz.

Badhbh wollte das nicht glauben. Sie waren füreinander bestimmt. Er liebte sie nur zu stark.

Mongfhionn sah dauernd besorgt aus. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass ihre Besorgnis aussagekräftiger war, als der Rest. Sie wusste nicht, was Donn in letzter Zeit tat. Bewahre meine Geheimnisse, hatte er gesagt, und lass mich dich beschützen. Sie würde sie bewahren. Oh, sie würde sie tief in sich begraben. Sie hatte keine Augen für irgendjemanden anders auf der Welt.

Letztlich begann Badhbhs Verderben mit einer Einladung zu Tanzen. Ein wohlhabendes Paar aus einem benachbarten Dorf wünschte sich, dass die berühmte Badhbh auf ihrer Hochzeit tanzen möge, mit einer musikalischen Begleitung, die sie ausgewählt hatten. Sie beantwortete die Einladung bereitwillig am selben Tag, an dem sie einging.

Doch Donn war extrem argwöhnisch. Sein finsterer Blick brannte vor Eifersucht, die er nicht zu kontrollieren suchte. „Das sollte besser keine List sein, Badhbh. Ich weiß, dass du einen anderen dummen Kerl am Haken hast… du planst ein Stelldichein.“

Badhbh begann zu schluchzen, wie sie es in letzter Zeit viel zu häufig tat. Sie wies seine Anschuldigungen vehement zurück. „Nein! Es gibt niemanden sonst, Donn! Ich will einfach nur ausgehen und tanzen!“

„Für einen anderen tanzen, meinst du! In seinem Bett!“ Donn schlug mit seiner schweren Faust in seine Handfläche. „Du tanzende Hure, du widerliches, dreckiges Fähnchen im Wind, du machst mich wahnsinnig…“

Seine Frau wurde sehr still. Sie starrte ihm in die Augen. „Ich fasse nicht, dass das hier der Mann sein soll den ich liebte seitdem er das erste Mal für mich sang.“

Donn erwiderte nur mürrisch ihren Blick.

Badhbh holte tief Luft und fuhr fort. „Das hier hat keinen Sinn mehr. Ich habe genug von dieser Ehe. Ich habe genug von deiner geistesgestörten Eifersucht und deinem Missbrauch. Ich werde ein neues Leben anfangen, ohne -“

Seine Faust traf ihr Gesicht mit der Kraft einer Belagerungsramme, und sie schlug krachend in die Wand ihres so ordentlich gehaltenen Heims. „Du wirst nicht fähig sein mich zu verlassen“, knurrte er, seine Singstimme voll Härte. Er machte sich bereit sie ein weiteres Mal zu schlagen.

Badhbh zögerte nicht länger. Sie griff sich eine Statuette vom Tisch und schlug diese mit aller Kraft auf Donns Kopf, woraufhin er zu Boden ging. Sie spuckte auf seinen bewusstlosen Körper.

Für einen Moment starrte sie bloß ihren leblosen Ehemann an. Doch als sie die heftige Blutung seiner Kopfwunde sah, überkam sie plötzlich ein schrecklicher Gedanke. Sie hatte ihn getötet. Eine neue Art der Verwirrung und des Schreckens schwollen in ihr an. Nicht vollständig bei Sinnen, floh die Tänzerin in Richtung Mogfhionns Haus die Straße herunter. Sie brauchte den Rat ihrer Freundin und eine Schulter zum ausweinen.

Mongfhionn war nicht zuhause. Nur ihr Bruder, der Trommler Crimthann war dort, und aß ein kleines Mahl. Das war für Badhbh nicht von Bedeutung. Sie flehte ihn an ihr zu helfen, presste ihr Gesicht in seine Schulter, und ließ der Lawine platzender Angst freien Lauf. Ihre Tränen durchnässten seine Tunika wie ein Sturzregen. Verwundert, was passiert sei, versuchte Crimthann sie mit einfachen Worten und einer Umarmung zu trösten.

Wie das Schicksal es wollte, war Donn nicht tot. Er erwachte, durch den Hieb noch rasender als zuvor, und seine Kopfwunde heizte seine Wut zur Weißglut.

Er nahm das kunstvolle Zeremonienschwert von dessen Platz über der Feuerstelle und langte nach dem schweren Gehstock, der neben der Tür lehnte. Dann rannte Donn, nach Badhbh schreiend, in die Nacht hinaus. Der Sänger im verwirrten Dorf von Haus zu Haus, auf der Suche nach der Tänzerin.

Unglücklicherweise war er mit ihren Gepflogenheiten vertraut. Donn platzte in Mongfhionns Haus und fand Badhbh in der Umarmung eines anderen Mannes. Er war sich nur vage der Anwesenheit des jüngeren Crimthann bewusst.

Donn wütete lauthals, bezichtigte sie des Verrats, und griff dann, ohne eine Antwort abzuwarten, an. Der bedauernswerte Freund war zwar sehr viel jünger und stärker, Donn jedoch, angetrieben von blinder Wut, war wesentlich schneller. Crimthann stieß Badhbh hinter sich und versuchte irgendetwas in Reichweite zu finden, um sich zu verteidigen, aber es war bereits zu spät. Bevor der unbewaffnete Trommler auch nur eine Hand zur Verteidigung heben konnte, schlug Donn ihm brutal auf den Kopf.

Donn verspottete den Unschuldigen, als dieser leblos zu Boden fiel, und fast lachend sang er: „Du dachtest, du könntest meinen Platz einnehmen, und mit ihr durch die Betten toben. Jetzt liegst du stattdessen auf dem Boden, Schubi-dubi-du.“

Badhbh flehte ihren Ehemann an, schreiend, er habe keinen Grund Crimthann zu verletzen. „Ich werde dich niemals verlassen, mein Liebster“, klagte sie „bitte, hör auf!“ Sie schwang ihre eigene Faust nach seinem Gesicht, doch Donn duckte sich bloß und stieß ihr den Ellenbogen in die Kehle. Als sie zurücktaumelte, schwang er seinen schweren Wanderstab und traf sie an der Stirn. Die Wucht des Schlages reichte aus, sie zu Boden zu schicken.

Badhbh und Crimthann erwachten gefesselt und geknebelt, mit ausgestreckten Gliedern zwischen Bäume gebunden. Donn hatte ein kleines Feuer nahebei entfacht. Sein Gesicht, beleuchtet von den Flammen, war von einem irren Grinsen des Zorns entstellt. “Wie ich sehe, seid ihr wunderbar unschuldigen Leute aufgewacht”, begann er mit herablassendem Spott „Ich weiß, dass es nicht eure Schuld ist. Badhbh ist zu schön um ihr zu widerstehen, und sie macht Männer verrückt vor Verlangen. Ich weiß nur zu gut“, fügte er hinzu, auf ihre Füße starrend, die ein paar Zentimeter über dem Boden waren „Wie die Füße einer Tänzerin dich verführen können. Und Crimthann“, er drehte sich zu dem Trommler, „Mit deiner honigtriefenden Zunge und den gemeißelten Zügen eines Jünglings bist du einfach zu verlockend für eine junge Frau. Mach dir keine Sorgen“, fuhr Donn fort, mit der Zunge über seine trockenen Lippen fahrend, „Dieses Schwert wird all das begradigen.“ Und damit legte er die Schwertklinge ins brausende Feuer.

Ahnend was da kommen würde, schlug Badhbh wild um sich in dem Versuch, ihren Stricken zu entkommen. Jedoch war alle Mühe vergebens, denn sie konnte sich kaum bewegen, und sie war immer noch benommen von dem Schlag gegen den Kopf. Donn grinste breiter und breiter, als mit jeder Minute das Schwert heißer und heißer wurde. Er speiste die Flammen mit mehr Holz, und ein scharfer Wind begann zu wehen, der die Funken des Feuers zwischen die Bäume wehen ließ. Sein wildes Haar und die weit aufgerissenen Augen ließen ihn im Wind teuflisch aussehen, und er lachte krächzend, als Badhbh begann, sich verzweifelter gegen ihre Fesseln zu wehren.

Als die Schwertklinge so heiß war, dass sie weiß glühte, ergriff Donn den künstlerisch verzierten Griff und zog das Schwert aus dem Feuer. Dann näherte er sich Badhbh. „Sorge dich nicht, meine Frau, es wird alles sehr bald vorüber sein. Dann können wir wieder glücklich sein. Du wirst fast nichts spüren. Diese Klinge wurde stark erhitzt; alles was sie berührt wird sofort ausgebrannt. Du wirst leben.“

Crimthanns Augen rollten gen Hinterkopf und er sackte in den Stricken zusammen, bevor Donn sein widerliches Werk begann. Blut zischte durch die Luft und spritzte umher, doch Donn war noch lange nicht zufrieden. Er sah kalt auf Crimthanns Wunden, dann drehte er sich um, und grinste in Richtung von Badhbh, die panisch in ihren Knebel schrie.

Die Schwertklinge schwang glühend und rauchend gen Morgenhimmel, und fuhr dann mit aller Macht von Donns wahnsinniger Wut hernieder. Schmerz schoss ihr durch den Körper, so stark, dass alles andere bedeutungslos wurde. Der Klang ihrer eigenen Schreie, und der der leuchtende Bogen den das Schwert beschrieben hatte, waren alles was Badhbh von jenem grauen Morgen in Erinnerung bleiben sollten.

Badhbh träumte vom Tod, aber es war nur ein Traum. Sie erwachte im Bett eines Nachbarn. Ein ansässiger Heiler stand über sie gebeugt, das Gesicht voll der Sorge. Er blickte in Richtung ihrer Beine, die von mehreren Laken verdeckt waren. Badhbh riss fieberhaft die Bezüge zur Seite, nur um das wahrhaft teuflische Werk ihres Ehemannes zu betrachten. Ihr entfloh ein würgender, gluckernder Schrei, der im ganzen Dorf zu vernehmen war.

Der Heiler beeilte sich ihre Beine wieder mit Laken zu bedecken, doch Badhbh hatte das schlimmste schon gesehen. Das erhitzte Schwert hatte tatsächlich die Wunden ausgebrannt, dort wo Donn ihr die Füße kurz über den Knöcheln abgetrennt hatte. Sie versuchte zu sprechen und brachte nur ein Gurgeln hervor. Bevor seine wütende Eifersucht verraucht war, hatte ihr Ehemann ihr noch die Zunge aus der Kehle geschnitten, und eine extrem dünne Wunde rundum in ihren Hals geritzt.

Als ob sie geahnt hätte, was Badhbh fragen wollte, kam Mongfhionn in den Raum, und nahm ihre Hand. „Wir haben dich und Crimthann in den Wäldern gefunden. Mein Bruder….sie haben ihn in mein Haus gebracht, aber er hat nicht überlebt. Dein Ehemann ist geflohen als wir uns näherten, und niemand hat ihn seitdem gesehen. Es tut mir so Leid, Badhbh.“ Mongfhionn strich ihr Haar zurück und floh aus dem Raum.

Verzweiflung und Wut erfüllten Badhbh wie ein See aus Gift. Ihre Beine zuckten als wollten sie tanzen, aber egal wie sehr sie es sich wünschte, unter den Laken waren sie doch bloß zwei verkohlte Stümpfe. Schluchzend betete Badhbh für ihren eigenen Tod, doch sie wurde nicht erlöst.

Fast ein Jahr lang war Badhbh in diesem Raum in ihrem Dorf gefangen, und lebte von ihren Rücklagen aus der Zeit als sie noch tanzen konnte und von der Hilfsbereitschaft der Nachbarn und ihrer Freundin Mongfhionn.

Mit der Zeit wuchs der Wunsch nach Rache in ihrem Herzen. Ihr Ehemann war immer noch frei, während sie in diesem Haus gefangen war, und nicht tanzen konnte, geschweige denn sprechen. Schreien konnte sie jedoch noch, und das tat sie, oft spät in der Nacht, wenn der Schmerz ihrer Wunden sie plagte.

Badhbh fühlte sich, als ob der Himmel über ihr sich ihrer Stimmung anpasste, denn die Winterstürme waren hart und gnadenlos in diesem Jahr. Starker Wind und Regen ließen den Himmel verärgert wirken, besonders sobald der erste Veilsturm aufzog und ihr Dorf belagerte.

Als die Nacht hereinbrach legte sich eine Schwere über das Dorf, erdrückend, wie, um jedes Atmen zu untersagen, jedes Leben auszulöschen. Dann, mit einem Urknall des Donners, kam der Regen. Wie heißes Blut strömte er vom Himmel. Die Wolken verwirbelten und knisterten vor Magie. Blitze schlugen salvenweise in den Erdboden und vernichteten alles und jeden am Einschlagsort zu Asche.

Badhbh beobachtete das regenbedeckte Fenster während die Wände knarzten. Der Sturm riss an dem alten Haus, das ihr und Donn gehört hatte. Risse durchzogen die glatten Bohlen, und die Wände entledigten sich krachend und knirschend ihres Fundaments.

Hilflos inmitten dieses Chaos begann Badhbh im Geiste ein neues Gebet. Zum ersten Mal seitdem ihr Körper verstümmelt worden war, betete Badhbh für ihr Überleben. Jedoch nicht für ein neues Leben. Ihre Seele schrie danach zu leben, einzig und allein um die Süße der Rache kosten zu können. Sie öffnete ihren Mund und ließ alles heraus. In einem einzigen, haarsträubenden Schrei der Furcht und Abscheu. Einem Schrei des rachsüchtigen Zornes.

Das Dach wurde von den Mauern gerissen, und Badhbh sah sich in dem Veilsturm endlich etwas gegenüber, dessen Wut sie verstand, weil sie ihrer gleich kam.

Ein Geräusch wurde im Sturm lauter, ein Gebrüll aus Wind und Wut, das sich nicht leugnen ließ. Logik und Realität verloren sich in der Malvolenz die entstanden war, und die alles verdrehte und zerriss.

Als der Sturm endlich abflaute, war Badhbh verschwunden…zusammen mit einem Großteil des Dorfes selbst. Nur ein paar zerrissene Gebäude, wenige zersplitterte Balken, und eine verstörte Ziege waren übrig geblieben. Der Rest des Dorfes hatte sich mit dem finalen Kreischen des Sturms aufgelöst.

Währenddessen war Donn in einen anderen Teil der Welt geflohen, um ein neues Leben zu beginnen. In gewisser Weise hatte er Erfolg gehabt. Er lebte in einem komfortablen Haus mit blauen Wänden in der netteren Gegend seines Dorfes. Er konnte gut von seinem Gesang leben, und endlich kannte man seinen Namen. Er hatte ein warmes Bett, ein paar wertvolle Dinge, und ab und zu sogar ein wenig weibliche Gesellschaft. Er schwor sich, die tote Frau zu vergessen, die sein Ehebett beschmutzt hatte. Der Großteil seines Dorfes war von den Veilstürmen nicht betroffen, und es florierte. Er befand sich auf dem aufsteigenden Ast und betrachtete sich als glücklich.

Es war der erste Jahrestag seines schrecklichen Verbrechens. Entschlossen, nicht daran zu denken, saß Donn in seinem Haus und las ein Buch im Feuerschein. Er befand sich in der Mitte des spannendsten Kapitels.

Dann unterbrach ein seltsames Klopfen an der Tür das leise knistern des Feuers. Es war gedämpft, und klang nicht, als klopfe jemand mit den Knöcheln einer Hand gegen Holz. Ein bisschen verwundert öffnete er die Tür. Da war nichts. Er fühlte eine leichte Brise und glaubte, das leise Flattern von Flügeln zu hören, was aber verschwand, als die Tür ganz geöffnet war.

Es musste sich um einen kindischen Streich handeln. Er ignorierte es.

In der nächsten Nacht war das Geräusch wieder an der Tür. Grummelnd, dass diese kindischen Witzbolde verdammt beharrlich versuchten ihm auf die Nerven zu gehen, ging Donn einfach zu Bett.

Doch es passierte immer wieder, Nacht für Nacht. Mit jedem Mal wurde das Klopfen etwas lauter. Donn wurde es müde dauernd zur Tür zu hasten, nur um nichts zu finden als die leichte Brise und das leise Flattern.

Er bat einen Nachbarn ihn zu besuchen und das Ganze zu beobachten. Sie verbrachten den Abend damit zu trinken und ein Spiel zu spielen. Plötzlich verschüttete Donn sein Getränk und hastete zur Tür, sehr zur Verwirrung seines Nachbarn, der keinen Ton gehört hatte.

Das lautstarke Klopfen immer noch im Kopf, überspielte Donn die Situation mit einem Lachen. Aber er konnte sein Unbehagen darüber, dass niemand außer ihm diese Geräusche hört, nicht abschütteln.

Dann nahm das Klopfen an Häufigkeit zu. Donn fand sich sein Mahl pausierend, und über die Schulter schauend, während er durch das Dorf marschierte.

Eines Abends beschloss er, sich das nicht länger gefallen zu lassen. Im Versuch seinen Atem zu kontrollieren, bewaffnete er sich mit demselben kunstvoll verzierten Schwert das er vor einem Jahr geschwungen hatte. Donn bezog Stellung in den Büschen vor seiner Haustür, in der Hoffnung den Witzbold zu fangen. Genug war genug.

Mit eisernem Willen im Dreck ausharrend, beobachtete er, wie die Dämmerung zur Nacht wurde. Sein Nachbar schrie seine Frau an. Ein paar Hunde bellten sich gegenseitig wütend an, und wurden dann still. Die Geräusche des Dorfes beruhigten sich, und ein paar Schornsteine fingen an, Qualm in die kühle Frühlingsnacht zu stoßen. Donn krempelte den Kragen seines Umhangs nach oben, wechselte seinen Griff am Schwert, und wartete, still wie ein Stein.

Eine leichte Brise kam auf. Donn lugte durch das Gebüsch ins Lampenlicht, das den Vorgarten erhellte. Er hörte ein leises Geräusch, als ob Gaze durch die Luft geweht würde.

Etwas bewegte sich auf und ab zwischen den Bäumen nahe dem Weg. Irgendetwas näherte sich. Donn lächelte, und seine Blicke brannten sich in das Halbdunkel in Erwartung. Jemand kleines, vielleicht ein Nachbarskind?

Aber es war kein Kind. Ein Kopf zuckte durch die Nacht, ein Kopf mit zerzausten Haaren, doch ohne Körper. Donn fror an Ort und Stelle fest. Als der Kopf näher kam erkannte er, dass er das Gesicht zu erkennen vermochte. Es war der körperlose Kopf seiner Ehefrau, der da heranschwebte. Ihr einst wunderschönes Gesicht war vor Schmerz und Wut verzerrt zu einer Fratze des Schreckens. Ohne zu Pausieren, flog der Kopf durch die Luft und schlug mit der Stirn gegen die Tür.

Donn stand starr da, und das Schwert fiel aus seiner tauben Hand. Er versuchte zu sprechen, doch seine trockene Kehle brachte nur ein Krächzen zustande. Dann als ob es ihn gerade erst bemerkt hätte, drehte sich der Kopf langsam, und blickte in seine Richtung.

Donn drehte sich um und rannte, mit den Armen fuchtelnd, wie um Verfolger zu verscheuchen. Er brüllte in die Stille des Dorfes, doch seine Stimme fühlte sich von der Kälte gedämpft an. Seine Nachbarn erhoben sich von ihrem Abendbrot und kamen an die Türen um nachzusehen, was all der Lärm sollte. Donn brüllte lauter und mit der höchsten Tonlage seiner Singstimme versuchte er, die Leute um Hilfe zu bitten, doch alles was er zustande brachte war ein verkümmerter Schrei.

Er erreichte den Dorfplatz, wo einige Leute sich schon zum Gaffen eingefunden hatten. Donn fiel auf die Knie und erhob seine Hände. Er konnte ihre Anwesenheit nicht weit hinter sich fühlen. „Ich hab es getan!“ schrie er wie besessen, und begann mit seinen Händen auf das Pflaster einzuschlagen. „Ich gestehe! Ich gebe es zu! Ich habe es alles getan! Oh meine Frau! Oh Götter und Dämonen, ich bin ein Sünder! Oh bitte, bitte, so hilf mir doch jemand!“

Er kämpfte sich auf die Füße, aber die Stadtwache war bereits bei ihm. Donn stramm bei den Armen haltend, versuchten die stattlichen Männer, ihn zu beruhigen. Kinder in benachbarten Häusern fingen an zu weinen, als er weiterhin um Vergebung schrie. Dann endlich stopfte ihm jemand einen Lumpen in den Mund.

Die Dörfler schlossen ihn schließlich in einer Zelle ein, in der Vermutung, die Veilstürme hätten ihn seines Verstandes beraubt, und postierten eine Wache davor um ihn vor sich selbst zu schützen. Sicherlich, so dachten sie, würde er sich wieder beruhigen und von seinem Schrecken erholen.

Nacht für Nacht beschwerte er sich über das Klopfen an den Zellenwänden, aber niemand sonst konnte etwas hören. Donn versuchte es mit Singen, und summte wortlose Versionen der Lieder, die er einst gelernt hatte um einen Tanz zu begleiten. Seine Stimme wurde durch das Dorf getragen, und verlieh dem alltäglichen Leben eine Art rhythmische Traurigkeit.

Die Dörfler ertrugen das für ein ganzes Jahr, aber schlussendlich wurden sie seiner Raserei derart überdrüssig, dass sie ihn nach Hause gehen ließen, um ihn seinem Schicksal zu überlassen.

Donn stolperte, als er durch die Straßen wanderte. Die Menschen zeigten auf ihn und sprachen von dem Verrückten des Dorfes, das wusste er. Sein guter Ruf war dahin.

Es war die Nacht des Jahrestages Badhbhs Todes und Wiedergeburt. Da er nicht wusste wohin sonst, kehrte er in sein kleines, komfortables Haus mit den blauen Wänden zurück, welches sich jetzt in einem traurigen Zustand befand. Donn schloss vorsichtig die Tür hinter sich. Wieder einmal war des Winters Kälte beharrlich in die nächste Jahreszeit gezogen. Seine trockenen Lippen leckend, setzte er sich zur Feuerstelle. Er war sich nicht sicher wann er es aufgehoben hatte, aber das Schwert, das er in seiner Wut benutzt hatte, lag auf seinem Schoß.

Donn hörte ein leises Geräusch hinter sich. Er sprang auf die Füße, das Schwert mit zitternden Händen vor sich gestreckt. Was er sah, war für seinen kranken Verstand nicht länger ein Ding der Unmöglichkeit. Es war seine Frau, schwebend wie die Tänzerin die sie war, nur dass keine Füße unter dem Saum ihres zerschlissenen Kleides zu sehen waren. Nur geschundene Stümpfe mit gepeinigtem Fleisch, ein paar Zentimeter über dem Boden. Badhbh lächelte mit rotem Mund, als sie auf ihn zu glitt.

Der Mann der einmal ihr Ehemann gewesen war starrte Badhbh in geschockter Stille an, als sie ihren Kopf vom Hals entfernte, genau an jener Stelle, an der er ihr die Wunde zugefügt hatte. Sie ließ ihn los, und er schwebte, zuckend, langsam in seine Richtung. Donn war fast erstarrt vor Angst. „Es…Es tut mir leid. Bitte….bitte, hör auf….“ Er hustete und würgte. Es fiel ihm schwer zu atmen.

Badhbhs blutrote Lippen öffneten sich, und ihr schwebender Kopf fing an zu schreien, ein schauerliches Geräusch, vor dem er sich zu retten versuchte, indem er die Hände auf die Ohren presste, doch es gab kein Erbarmen. Ihr Kopf kam näher und ihr rot-belippter Mund öffnete sich so weit, als wolle sie ihn verschlingen. Dann schrie sie noch einmal, und ihr Schrei traf ihn wie eine Belagerungsramme aus Schall und schleuderte ihn in die Feuerstelle. Badhbh hielt ihn mit ihrem Kreischen im Feuer gefangen, die Augen geweitet aus Wut und schrecklicher Genugtuung. Donn fühlte, wie alle Empfindungen bis auf den Schmerz ihn verließen. Er war verloren, jenseits der Rettung oder Hoffnung. Der Mann war bei vollem Bewusstsein, während die Flammen ihn langsam verzehrten, und seine Schreie verschmolzen mit den Ihren in einer Kakophonie des Schmerzes, Leidens und Verlusts.

Als der Morgen anbrach besuchten ein paar Dorfbewohner Donns Haus um zu sehen, wie es dem verrückten ergangen sei. Als auf das Klopfen niemand antwortete, öffneten sie die Tür. Sie fanden seinen verbrannten und zerbrochenen Körper in einer unmöglichen Position in der Feuerstelle, sein ausgetrocknetes Gesicht zu einem letzten Schrei verzogen. Seine Nachbarn behaupteten, sie seien von Donns Ableben wahrhaft erschüttert, doch andere erklärten, dass der Verrückte so besser dran sei. Als sie das Haus verließen, fiel niemandem die Abwesenheit des Schwertes auf, das Donn über den Kamin gehängt hatte.

Es wird gesagt, dass Badhbh es seitdem führt, als Symbol des Schreckens, der ihr so unrechtmäßig zugefügt worden war. Sie wird weder vergessen, noch vergeben. Sie bereist das Reich und findet Männer und Frauen, die gelitten haben wie sie leiden musste, und bringt ihnen bei wie man ein Geist der ewigen Rache wird.

Und so endet die Geschichte der ersten Bean Sidhe.

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